Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 426

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 einen Ursprung derselben aus dem Mechanism der Natur; oder: Es ist      
  02 irgend ein absichtlicher Grund seines Daseins (als eines zufälligen Naturwesens),      
  03 und diesen Gedanken kann man schwerlich von dem Begriffe      
  04 eines organisirten Dinges trennen: weil, da wir einmal seiner innern      
  05 Möglichkeit eine Causalität der Endursachen und eine Idee, die dieser      
  06 zum Grunde liegt, unterlegen müssen, wir auch die Existenz dieses Productes      
  07 nicht anders denn als Zweck denken können. Denn die vorgestellte      
  08 Wirkung, deren Vorstellung zugleich der Bestimmungsgrund der verständigen      
  09 wirkenden Ursache zu ihrer Hervorbringung ist, heißt Zweck. In      
  10 diesem Falle also kann man entweder sagen: Der Zweck der Existenz eines      
  11 solchen Naturwesens ist in ihm selbst, d. i. es ist nicht bloß Zweck, sondern      
  12 auch Endzweck; oder: Dieser ist außer ihm in anderen Naturwesen, d. i.      
  13 es existirt zweckmäßig nicht als Endzweck, sondern nothwendig zugleich      
  14 als Mittel.      
           
  15 Wenn wir aber die ganze Natur durchgehen, so finden wir in ihr als      
  16 Natur kein Wesen, welches auf den Vorzug, Endzweck der Schöpfung zu      
  17 sein, Anspruch machen könnte; und man kann sogar a priori beweisen:      
  18 daß dasjenige, was etwa noch für die Natur ein letzter Zweck sein      
  19 könnte, nach allen erdenklichen Bestimmungen und Eigenschaften, womit      
  20 man es ausrüsten möchte, doch als Naturding niemals ein Endzweck      
  21 sein könne.      
           
  22 Wenn man das Gewächsreich ansieht, so könnte man anfänglich      
  23 durch die unermeßliche Fruchtbarkeit, durch welche es sich beinahe über      
  24 jeden Boden verbreitet, auf den Gedanken gebracht werden, es für ein      
  25 bloßes Product des Mechanisms der Natur, welchen sie in den Bildungen      
  26 des Mineralreichs zeigt, zu halten. Eine nähere Kenntniß aber der      
  27 unbeschreiblich weisen Organisation in demselben läßt uns an diesem Gedanken      
  28 nicht haften, sondern veranlaßt die Frage: Wozu sind diese Geschöpfe      
  29 da? Wenn man sich antwortet: Für das Thierreich, welches dadurch      
  30 genährt wird, damit es sich in so mannigfaltigen Gattungen über      
  31 die Erde habe verbreiten können, so kommt die Frage wieder: Wozu sind      
  32 denn diese pflanzen=verzehrenden Thiere da? Die Antwort würde etwa      
  33 sein: Für die Raubthiere, die sich nur von dem nähren können, was Leben      
  34 hat. Endlich ist die Frage: Wozu sind diese sammt den vorigen Naturreichen      
  35 gut? Für den Menschen zu dem mannigfaltigen Gebrauche, den      
  36 ihn sein Verstand von allen jenen Geschöpfen machen lehrt; und er ist der      
  37 letzte Zweck der Schöpfung hier auf Erden, weil er das einzige Wesen auf      
           
     

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