Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 412 |
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01 | nach Zwecken zu handeln, eben dasselbe Product ableiten. Umgekehrt, | ||||||
02 | wenn ich dasselbe Product als Naturzweck annehme, kann ich nicht auf | ||||||
03 | eine mechanische Erzeugungsart desselben rechnen und solche als constitutives | ||||||
04 | Princip zur Beurtheilung desselben seiner Möglichkeit nach annehmen | ||||||
05 | und so beide Principien vereinigen. Denn eine Erklärungsart schließt | ||||||
06 | die andere aus; gesetzt auch, daß objectiv beide Gründe der Möglichkeit | ||||||
07 | eines solchen Products auf einem einzigen beruhten, wir aber auf diesen | ||||||
08 | nicht Rücksicht nähmen. Das Princip, welches die Vereinbarkeit beider in | ||||||
09 | Beurtheilung der Natur nach denselben möglich machen soll, muß in dem, | ||||||
10 | was außerhalb beiden (mithin auch außer der möglichen empirischen Naturvorstellung) | ||||||
11 | liegt, von dieser aber doch den Grund enthält, d. i. im | ||||||
12 | Übersinnlichen, gesetzt und eine jede beider Erklärungsarten darauf bezogen | ||||||
13 | werden. Da wir nun von diesem nichts als den unbestimmten Begriff | ||||||
14 | eines Grundes haben können, der die Beurtheilung der Natur nach | ||||||
15 | empirischen Gesetzen möglich macht, übrigens aber ihn durch kein Prädicat | ||||||
16 | näher bestimmen können: so folgt, daß die Vereinigung beider Principien | ||||||
17 | nicht auf einem Grunde der Erklärung (Explication) der Möglichkeit | ||||||
18 | eines Products nach gegebenen Gesetzen für die bestimmende, | ||||||
19 | sondern nur auf einem Grunde der Erörterung (Exposition) derselben | ||||||
20 | für die reflectirende Urtheilskraft beruhen könne. - Denn erklären heißt | ||||||
21 | von einem Princip ableiten, welches man also deutlich muß erkennen und | ||||||
22 | angeben können. Nun müssen zwar das Princip des Mechanisms der Natur | ||||||
23 | und das der Causalität derselben nach Zwecken an einem und eben demselben | ||||||
24 | Naturproducte in einem einzigen oberen Princip zusammenhängen | ||||||
25 | und daraus gemeinschaftlich abfließen, weil sie sonst in der Naturbetrachtung | ||||||
26 | nicht neben einander bestehen könnten. Wenn aber dieses objectiv | ||||||
27 | gemeinschaftliche und also auch die Gemeinschaft der davon abhängenden | ||||||
28 | Maxime der Naturforschung berechtigende Princip von der Art ist, daß | ||||||
29 | es zwar angezeigt, nie aber bestimmt erkannt und für den Gebrauch in | ||||||
30 | vorkommenden Fällen deutlich angegeben werden kann: so läßt sich aus | ||||||
31 | einem solchen Princip keine Erklärung, d. i. deutliche und bestimmte Ableitung, | ||||||
32 | der Möglichkeit eines nach jenen zwei heterogenen Principien | ||||||
33 | möglichen Naturproducts ziehen. Nun ist aber das gemeinschaftliche | ||||||
34 | Princip der mechanischen einerseits und der teleologischen Ableitung andrerseits | ||||||
35 | das Übersinnliche, welches wir der Natur als Phänomen unterlegen | ||||||
36 | müssen. Von diesem aber können wir uns in theoretischer Absicht | ||||||
37 | nicht den mindesten bejahend bestimmten Begriff machen. Wie also nach | ||||||
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