Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 395 |
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Text (Kant):
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| 01 | dergleichen Erfahrung sich keinen Begriff von der Möglichkeit derselben | ||||||
| 02 | machen kann. Der Hylozoism leistet also das nicht, was er verspricht. | ||||||
| 03 | Der Theism kann endlich die Möglichkeit der Naturzwecke als einen | ||||||
| 04 | Schlüssel zur Teleologie eben so wenig dogmatisch begründen; ob er zwar | ||||||
| 05 | vor allen Erklärungsgründen derselben darin den Vorzug hat, daß er durch | ||||||
| 06 | einen Verstand, den er dem Urwesen beilegt, die Zweckmäßigkeit der Natur | ||||||
| 07 | dem Idealism am besten entreißt und eine absichtliche Causalität für die | ||||||
| 08 | Erzeugung derselben einführt. | ||||||
| 09 | Denn da müßte allererst, für die bestimmende Urtheilskraft hinreichend, | ||||||
| 10 | die Unmöglichkeit der Zweckeinheit in der Materie durch den | ||||||
| 11 | bloßen Mechanism derselben bewiesen werden, um berechtigt zu sein den | ||||||
| 12 | Grund derselben über die Natur hinaus auf bestimmte Weise zu setzen. | ||||||
| 13 | Wir können aber nichts weiter herausbringen, als daß nach der Beschaffenheit | ||||||
| 14 | und den Schranken unserer Erkenntnißvermögen (indem wir | ||||||
| 15 | den ersten, inneren Grund selbst dieses Mechanisms nicht einsehen) wir | ||||||
| 16 | auf keinerlei Weise in der Materie ein Princip bestimmter Zweckbeziehungen | ||||||
| 17 | suchen müssen, sondern für uns keine andere Beurtheilungsart | ||||||
| 18 | der Erzeugung ihrer Producte als Naturzwecke übrig bleibe, als die durch | ||||||
| 19 | einen obersten Verstand als Weltursache. Das ist aber nur ein Grund | ||||||
| 20 | für die reflectirende, nicht für die bestimmende Urtheilskraft und kann | ||||||
| 21 | schlechterdings zu keiner objectiven Behauptung berechtigen. | ||||||
| 22 | § 74. |
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| 23 | Die Ursache der Unmöglichkeit, den Begriff einer Technik |
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| 24 | der Natur dogmatisch zu behandeln, ist die Unerklärlichkeit |
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| 25 | eines Naturzwecks. |
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| 26 | Wir verfahren mit einem Begriffe (wenn er gleich empirisch bedingt | ||||||
| 27 | sein sollte) dogmatisch, wenn wir ihn als unter einem anderen Begriffe | ||||||
| 28 | des Objects, der ein Princip der Vernunft ausmacht, enthalten betrachten | ||||||
| 29 | und ihn diesem gemäß bestimmen. Wir verfahren aber mit ihm bloß | ||||||
| 30 | kritisch, wenn wir ihn nur in Beziehung auf unser Erkenntnißvermögen, | ||||||
| 31 | mithin auf die subjectiven Bedingungen ihn zu denken betrachten, ohne es | ||||||
| 32 | zu unternehmen über sein Object etwas zu entscheiden. Das dogmatische | ||||||
| 33 | Verfahren mit einem Begriffe ist also dasjenige, welches für die bestimmende, | ||||||
| 34 | das kritische das, welches bloß für die reflectirende Urtheilskraft | ||||||
| 35 | gesetzmäßig ist. | ||||||
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