Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 394

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 als außer einander vorstellen, blinde Nothwendigkeit. Will man aber      
  02 das, was die Schule die transscendentale Vollkommenheit der Dinge (in      
  03 Beziehung auf ihr eigenes Wesen) nennt, nach welcher alle Dinge alles      
  04 an sich haben, was erfordert wird, um so ein Ding und kein anderes zu      
  05 sein, Zweckmäßigkeit der Natur nennen: so ist das ein kindisches Spielwerk      
  06 mit Worten statt Begriffen. Denn wenn alle Dinge als Zwecke gedacht      
  07 werden müssen, also ein Ding sein und Zweck sein einerlei ist, so      
  08 giebt es im Grunde nichts, was besonders als Zweck vorgestellt zu werden      
  09 verdiente.      
           
  10 Man sieht hieraus wohl: daß Spinoza dadurch, daß er unsere Begriffe      
  11 von dem Zweckmäßigen in der Natur auf das Bewußtsein unserer      
  12 selbst in einem allbefassenden (doch zugleich einfachen) Wesen zurückführte      
  13 und jene Form bloß in der Einheit des letztern suchte, nicht den Realism,      
  14 sondern bloß den Idealism der Zweckmäßigkeit derselben zu behaupten die      
  15 Absicht haben mußte, diese aber selbst doch nicht bewerkstelligen konnte,      
  16 weil die bloße Vorstellung der Einheit des Substrats auch nicht einmal      
  17 die Idee von einer auch nur unabsichtlichen Zweckmäßigkeit bewirken kann.      
           
  18 2) Die, welche den Realism der Naturzwecke nicht bloß behaupten,      
  19 sondern ihn auch zu erklären vermeinen, glauben eine besondere Art der      
  20 Causalität, nämlich absichtlich wirkender Ursachen, wenigstens ihrer Möglichkeit      
  21 nach einsehen zu können; sonst könnten sie es nicht unternehmen      
  22 jene erklären zu wollen. Denn zur Befugniß selbst der gewagtesten Hypothese      
  23 muß wenigstens die Möglichkeit dessen, was man als Grund annimmt,      
  24 gewiß sein, und man muß dem Begriffe desselben seine objective      
  25 Realität sichern können.      
           
  26 Aber die Möglichkeit einer lebenden Materie (deren Begriff einen      
  27 Widerspruch enthält, weil Leblosigkeit, inertia , den wesentlichen Charakter      
  28 derselben ausmacht) läßt sich nicht einmal denken; die einer belebten Materie      
  29 und der gesammten Natur, als eines Thiers, kann nur sofern (zum      
  30 Behuf einer Hypothese der Zweckmäßigkeit im großen der Natur) dürftiger      
  31 Weise gebraucht werden, als sie uns an der Organisation derselben      
  32 im Kleinen in der Erfahrung offenbart wird, keinesweges aber a priori      
  33 ihrer Möglichkeit nach eingesehen werden. Es muß also ein Cirkel im      
  34 Erklären begangen werden, wenn man die Zweckmäßigkeit der Natur an      
  35 organisirten Wesen aus dem Leben der Materie ableiten will und dieses      
  36 Leben wiederum nicht anders als in organisirten Wesen kennt, also ohne      
           
     

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