Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 391

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vermögen der Natur nach Endursachen für eine besondere Art von      
  02 Causalität gehalten werden müsse; die zweite: daß sie mit dem Mechanism      
  03 der Natur im Grunde ganz einerlei sei, und das zufällige Zusammentreffen      
  04 mit unseren Kunstbegriffen und ihren Regeln, als bloß subjective      
  05 Bedingung sie zu beurtheilen, fälschlich für eine besondere Art der Naturerzeugung      
  06 ausgedeutet werde.      
           
  07 Wenn wir jetzt von den Systemen der Naturerklärung in Ansehung      
  08 der Endursachen reden, so muß man wohl bemerken: daß sie insgesammt      
  09 dogmatisch, d. i. über objective Principien der Möglichkeit der Dinge, es      
  10 sei durch absichtlich oder lauter unabsichtlich wirkende Ursachen, unter einander      
  11 streitig sind, nicht aber etwa über die subjective Maxime, über die      
  12 Ursache solcher zweckmäßigen Producte bloß zu urtheilen: in welchem      
  13 letztern Falle disparate Principien noch wohl vereinigt werden könnten,      
  14 anstatt daß im ersteren contradictorisch=entgegengesetzte einander      
  15 aufheben und neben sich nicht bestehen können.      
           
  16 Die Systeme in Ansehung der Technik der Natur, d. i. ihrer productiven      
  17 Kraft nach der Regel der Zwecke, sind zwiefach: des Idealismus,      
  18 oder des Realismus der Naturzwecke. Der erstere ist die Behauptung:      
  19 daß alle Zweckmäßigkeit der Natur unabsichtlich; der zweite: daß einige      
  20 derselben (in organisirten Wesen) absichtlich sei; woraus denn auch die      
  21 als Hypothese gegründete Folge gezogen werden könnte, daß die Technik      
  22 der Natur, auch was alle andere Producte derselben in Beziehung auf      
  23 das Naturganze betrifft, absichtlich, d. i. Zweck, sei.      
           
  24 1) Der Idealism der Zweckmäßigkeit (ich verstehe hier immer die      
  25 objective) ist nun entweder der der Casualität, oder der Fatalität      
  26 der Naturbestimmung in der zweckmäßigen Form ihrer Producte. Das      
  27 erstere Princip betrifft die Beziehung der Materie auf den physischen      
  28 Grund ihrer Form, nämlich die Bewegungsgesetze; das zweite auf ihren      
  29 und der ganzen Natur hyperphysischen Grund. Das System der      
  30 Casualität, welches dem Epikur oder Demokritus beigelegt wird, ist,      
  31 nach dem Buchstaben genommen, so offenbar ungereimt, daß es uns nicht      
  32 aufhalten darf; dagegen ist das System der Fatalität (wovon man den      
  33 Spinoza zum Urheber macht, ob es gleich allem Ansehen nach viel älter      
  34 ist), welches sich auf etwas Übersinnliches beruft, wohin also unsere Einsicht      
  35 nicht reicht, so leicht nicht zu widerlegen: darum weil sein Begriff      
  36 von dem Urwesen gar nicht zu verstehen ist. So viel ist aber klar: daß      
  37 die Zweckverbindung in der Welt in demselben als unabsichtlich angenommen      
           
     

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