Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 343 |
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| 01 | können: widrigenfalls man nicht gewiß ist, ob der Gedanke nicht leer, | ||||||
| 02 | d. i. ohne alles Object sei. | ||||||
| 03 | Man bedient sich in der Logik der Ausdrücke des Demonstrabeln oder | ||||||
| 04 | Indemonstrabeln gemeiniglich nur in Ansehung der Sätze: da die ersteren | ||||||
| 05 | besser durch die Benennung der nur mittelbar, die zweiten der unmittelbar | ||||||
| 06 | gewissen Sätze könnten bezeichnet werden; denn die reine Philosophie | ||||||
| 07 | hat auch Sätze von beiden Arten, wenn darunter beweisfähige und | ||||||
| 08 | beweisunfähige wahre Sätze verstanden werden. Allein aus Gründen | ||||||
| 09 | a priori kann sie als Philosophie zwar beweisen, aber nicht demonstriren; | ||||||
| 10 | wenn man nicht ganz und gar von der Wortbedeutung abgehen will, nach | ||||||
| 11 | welcher demonstriren ( ostendere, exhibere ) so viel heißt, als (es sei im | ||||||
| 12 | Beweisen oder auch bloß im Definiren) seinen Begriff zugleich in der Anschauung | ||||||
| 13 | darstellen: welche, wenn sie Anschauung a priori ist, das Construiren | ||||||
| 14 | desselben heißt, wenn sie aber auch empirisch ist, gleichwohl die | ||||||
| 15 | Vorzeigung des Objects bleibt, durch welche dem Begriffe die objective | ||||||
| 16 | Realität gesichert wird. So sagt man von einem Anatomiker: er demonstrire | ||||||
| 17 | das menschliche Auge, wenn er den Begriff, den er vorher discursiv | ||||||
| 18 | vorgetragen hat, vermittelst der Zergliederung dieses Organs anschaulich | ||||||
| 19 | macht. | ||||||
| 20 | Diesem zufolge ist der Vernunftbegriff vom übersinnlichen Substrat | ||||||
| 21 | aller Erscheinungen überhaupt, oder auch von dem, was unserer Willkür | ||||||
| 22 | in Beziehung auf moralische Gesetze zum Grunde gelegt werden muß, | ||||||
| 23 | nämlich von der transscendentalen Freiheit, schon der Species nach ein | ||||||
| 24 | indemonstrabler Begriff und Vernunftidee, Tugend aber ist dies dem | ||||||
| 25 | Grade nach: weil dem ersteren an sich gar nichts der Qualität nach in der | ||||||
| 26 | Erfahrung correspondirendes gegeben werden kann, in der zweiten aber | ||||||
| 27 | kein Erfahrungsproduct jener Causalität den Grad erreicht, den die Vernunftidee | ||||||
| 28 | zur Regel vorschreibt. | ||||||
| 29 | So wie an einer Vernunftidee die Einbildungskraft mit ihren | ||||||
| 30 | Anschauungen den gegebenen Begriff nicht erreicht: so erreicht bei einer | ||||||
| 31 | ästhetischen Idee der Verstand durch seine Begriffe nie die ganze innere | ||||||
| 32 | Anschauung der Einbildungskraft, welche sie mit einer gegebenen Vorstellung | ||||||
| 33 | verbindet. Da nun eine Vorstellung der Einbildungskraft auf | ||||||
| 34 | Begriffe bringen so viel heißt, als sie exponiren: so kann die ästhetische | ||||||
| 35 | Idee eine inexponible Vorstellung derselben (in ihrem freien Spiele) | ||||||
| 36 | genannt werden. Ich werde von dieser Art Ideen in der Folge noch einiges | ||||||
| 37 | auszuführen Gelegenheit haben; jetzt bemerke ich nur: daß beide Arten | ||||||
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