Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 337 |
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Text (Kant):
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| 01 | Der Kritik der ästhetischen Urtheilskraft |
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| 02 | Zweiter Abschnitt. |
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| 03 | Die Dialektik der ästhetischen Urtheilskraft. |
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| 04 | § 55. |
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| 05 | Eine Urtheilskraft, die dialektisch sein soll, muß zuvörderst vernünftelnd | ||||||
| 06 | sein; d. i. die Urtheile derselben müssen auf Allgemeinheit und zwar | ||||||
| 07 | a priori Anspruch machen*): denn in solcher Urtheile Entgegensetzung | ||||||
| 08 | besteht die Dialektik. Daher ist die Unvereinbarkeit ästhetischer Sinnesurtheile | ||||||
| 09 | (über das Angenehme und Unangenehme) nicht dialektisch. Auch | ||||||
| 10 | der Widerstreit der Geschmacksurtheile, sofern sich ein jeder bloß auf seinen | ||||||
| 11 | eignen Geschmack beruft, macht keine Dialektik des Geschmacks aus: weil | ||||||
| 12 | niemand sein Urtheil zur allgemeinen Regel zu machen gedenkt. Es bleibt | ||||||
| 13 | also kein Begriff von einer Dialektik übrig, welche den Geschmack angehen | ||||||
| 14 | könnte, als der einer Dialektik der Kritik des Geschmacks (nicht des Geschmacks | ||||||
| 15 | selbst) in Ansehung ihrer Principien: da nämlich über den | ||||||
| 16 | Grund der Möglichkeit der Geschmacksurtheile überhaupt einander widerstreitende | ||||||
| 17 | Begriffe natürlicher und unvermeidlicher Weise auftreten. Transscendentale | ||||||
| 18 | Kritik des Geschmacks wird also nur sofern einen Theil enthalten, | ||||||
| 19 | der den Namen einer Dialektik der ästhetischen Urtheilskraft führen | ||||||
| 20 | kann, wenn sich eine Antinomie der Principien dieses Vermögens findet, | ||||||
| 21 | welche die Gesetzmäßigkeit desselben, mithin auch seine innere Möglichkeit | ||||||
| 22 | zweifelhaft macht. | ||||||
| *)Ein vernünftelndes Urtheil ( iudicium ratiocinans ) kann ein jedes heißen, das sich als allgemein ankündigt; denn sofern kann es zum Obersatze in einem Vernunftschlusse dienen. Ein Vernunfturtheil ( iudicium ratiocinatum ) kann dagegen nur ein solches genannt werden, welches als der Schlußsatz von einem Vernunftschlusse, folglich als a priori gegründet gedacht wird . | |||||||
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