Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 330

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Beiderlei Art Künste nehmen einen ganz verschiedenen Gang: die erstere      
  02 von Empfindungen zu unbestimmten Ideen; die zweite Art aber von bestimmten      
  03 Ideen zu Empfindungen. Die letztern sind von bleibendem,      
  04 die erstern nur von transitorischem Eindrucke. Die Einbildungskraft      
  05 kann jene zurückrufen und sich damit angenehm unterhalten; diese aber      
  06 erlöschen entweder gänzlich, oder wenn sie unwillkürlich von der Einbildungskraft      
  07 wiederholt werden, sind sie uns eher lästig als angenehm.      
  08 Außerdem hängt der Musik ein gewisser Mangel der Urbanität an, daß      
  09 sie vornehmlich nach Beschaffenheit ihrer Instrumente ihren Einfluß      
  10 weiter, als man ihn verlangt, (auf die Nachbarschaft) ausbreitet und so      
  11 sich gleichsam aufdringt, mithin der Freiheit andrer außer der musikalischen      
  12 Gesellschaft Abbruch thut; welches die Künste, die zu den Augen      
  13 reden, nicht thun, indem man seine Augen nur wegwenden darf, wenn      
  14 man ihren Eindruck nicht einlassen will. Es ist hiemit fast so, wie mit      
  15 der Ergötzung durch einen sich weit ausbreitenden Geruch bewandt. Der,      
  16 welcher sein parfümirtes Schnupftuch aus der Tasche zieht, tractirt alle      
  17 um und neben sich wider ihren Willen un nöthigt sie, wenn sie athmen      
  18 wollen, zugleich zu genießen; daher es auch aus der Mode gekommen ist.*)      
  19 - Unter den bildenden Künsten würde ich der Malerei den Vorzug      
  20 geben: theils weil sie als Zeichnungskunst allen übrigen bildenden zum      
  21 Grunde liegt; theils weil sie weit mehr in die Region der Ideen eindringen      
  22 und auch das Feld der Anschauung diesen gemäß mehr erweitern kann,      
  23 als es den übrigen verstattet ist.      
           
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§ 54.

     
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Anmerkung.

     
           
  26 Zwischen dem, was bloß in der Beurtheilung gefällt, und      
  27 dem, was vergnügt (in der Empfindung gefällt), ist, wie wir oft gezeigt      
  28 haben, ein wesentlicher Unterschied. Das letztere ist etwas, welches man      
  29 nicht so, wie das erstere jedermann ansinnen kann. Vergnügen (die Ursache      
  30 desselben mag immerhin auch in Ideen liegen) scheint jederzeit in      
           
    *)Diejenigen, welche zu den häuslichen Andachtsübungen auch das Singen geistlicher Lieder empfohlen haben, bedachten nicht, daß sie dem Publicum durch eine solche lärmende (eben dadurch gemeiniglich pharisäische) Andacht eine große Beschwerde auflegen, indem sie die Nachbarschaft entweder mit zu singen oder ihr Gedankengeschäft niederzulegen nöthigen.      
           
     

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