Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 279 |
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Text (Kant):
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| 01 | Deduction der reinen ästhetischen Urtheile. |
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| 02 | § 30. |
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| 03 | Die Deduction der ästhetischen Urtheile über die Gegenstände |
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| 04 | der Natur darf nicht auf das, was wir in dieser |
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| 05 | erhaben nennen, sondern nur auf das Schöne gerichtet |
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| 06 | werden. |
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| 07 | Der Anspruch eines ästhetischen Urtheils auf allgemeine Gültigkeit | ||||||
| 08 | für jedes Subject bedarf als ein Urtheil, welches sich auf irgend ein Princip | ||||||
| 09 | a priori fußen muß, einer Deduction (d. i. Legitimation seiner Anmaßung), | ||||||
| 10 | welche über die Exposition desselben noch hinzukommen muß, wenn es | ||||||
| 11 | nämlich ein Wohlgefallen oder Mißfallen an der Form des Objects | ||||||
| 12 | betrifft. Dergleichen sind die Geschmacksurtheile über das Schöne der | ||||||
| 13 | Natur. Denn die Zweckmäßigkeit hat alsdann doch im Objecte und seiner | ||||||
| 14 | Gestalt ihren Grund, wenn sie gleich nicht die Beziehung desselben auf | ||||||
| 15 | andere Gegenstände nach Begriffen (zum Erkenntnißurtheile) anzeigt; | ||||||
| 16 | sondern bloß die Auffassung dieser Form, sofern sie dem Vermögen sowohl | ||||||
| 17 | der Begriffe, als dem der Darstellung derselben (welches mit dem | ||||||
| 18 | der Auffassung eines und dasselbe ist) im Gemüth sich gemäß zeigt, überhaupt | ||||||
| 19 | betrifft. Man kann daher auch in Ansehung des Schönen der Natur | ||||||
| 20 | mancherlei Fragen aufwerfen, welche die Ursache dieser Zweckmäßigkeit | ||||||
| 21 | ihrer Formen betreffen: z. B. wie man erklären wolle, warum die Natur | ||||||
| 22 | so verschwenderisch allerwärts Schönheit verbreitet habe, selbst im Grunde | ||||||
| 23 | des Oceans, wo nur selten das menschliche Auge (für welches jene doch | ||||||
| 24 | allein zweckmäßig ist) hingelangt, u. d. gl. m. | ||||||
| 25 | Allein das Erhabene der Natur - wenn wir darüber ein reines | ||||||
| 26 | ästhetisches Urtheil fällen, welches nicht mit Begriffen von Vollkommenheit | ||||||
| 27 | als objectiver Zweckmäßigkeit vermengt ist; in welchem Falle es ein teleologisches | ||||||
| 28 | Urtheil sein würde - kann ganz als formlos oder ungestalt, | ||||||
| 29 | dennoch aber als Gegenstand eines reinen Wohlgefallens betrachtet werden | ||||||
| 30 | und subjective Zweckmäßigkeit der gegebenen Vorstellung zeigen; und da | ||||||
| 31 | fragt es sich nun: ob zu dem ästhetischen Urtheile dieser Art auch außer | ||||||
| 32 | der Exposition dessen, was in ihm gedacht wird, noch eine Deduction seines | ||||||
| 33 | Anspruchs auf irgend ein (subjectives) Princip a priori verlangt werden | ||||||
| 34 | könne. | ||||||
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