Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 275

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 gerne erlaubt, die Religion mit dem letztern Zubehör reichlich versorgen      
  02 zu lassen, und so dem Unterthan die Mühe, zugleich aber auch das      
  03 Vermögen zu benehmen gesucht, seine Seelenkräfte über die Schranken      
  04 auszudehnen, die man ihm willkürlich setzen und wodurch man ihn, als      
  05 bloß passiv, leichter behandeln kann.      
           
  06 Diese reine, seelenerhebende, bloß negative Darstellung der Sittlichkeit      
  07 bringt dagegen keine Gefahr der Schwärmerei, welche ein Wahn      
  08 ist, über alle Gränze der Sinnlichkeit hinaus etwas sehen, d. i.      
  09 nach Grundsätzen träumen (mit Vernunft rasen), zu wollen; eben darum      
  10 weil die Darstellung bei jener bloß negativ ist. Denn die Unerforschlichkeit      
  11 der Idee der Freiheit schneidet aller positiven Darstellung      
  12 gänzlich den Weg ab: das moralische Gesetz aber ist an sich selbst in uns      
  13 hinreichend und ursprünglich bestimmend, so daß es nicht einmal erlaubt,      
  14 uns nach einem Bestimmungsgrunde außer demselben umzusehen. Wenn      
  15 der Enthusiasm mit dem Wahnsinn, so ist die Schwärmerei mit dem      
  16 Wahnwitz zu vergleichen, wovon der letztere sich unter allen am wenigsten      
  17 mit dem Erhabenen verträgt, weil er grüblerisch lächerlich ist. Im      
  18 Enthusiasm als Affect ist die Einbildungskraft zügellos; in der Schwärmerei      
  19 als eingewurzelter brütender Leidenschaft regellos. Der erstere ist      
  20 vorübergehender Zufall, der den gesundesten Verstand bisweilen wohl betrifft;      
  21 der zweite eine Krankheit, die ihn zerrüttet.      
           
  22 Einfalt (kunstlose Zweckmäßigkeit) ist gleichsam der Stil der Natur      
  23 im Erhabenen und so auch der Sittlichkeit, welche eine zweite (übersinnliche)      
  24 Natur ist, wovon wir nur die Gesetze kennen, ohne das übersinnliche      
  25 Vermögen in uns selbst, was den Grund dieser Gesetzgebung enthält,      
  26 durch Anschauen erreichen zu können.      
           
  27 Noch ist anzumerken, daß, obgleich das Wohlgefallen am Schönen      
  28 eben sowohl, als das am Erhabenen nicht allein durch allgemeine Mittheilbarkeit      
  29 unter den andern ästhetischen Beurtheilungen kenntlich unterschieden      
  30 ist, sondern auch durch diese Eigenschaft in Beziehung auf Gesellschaft      
  31 (in der es sich mittheilen läßt) ein Interesse bekommt, gleichwohl      
  32 doch auch die Absonderung von aller Gesellschaft als etwas Erhabenes      
  33 angesehen werde, wenn sie auf Ideen beruht, welche über alles sinnliche      
  34 Interesse hinweg sehen. Sich selbst genug sein, mithin Gesellschaft      
  35 nicht bedürfen, ohne doch ungesellig zu sein, d. i. sie zu fliehen, ist etwas      
  36 dem Erhabenen sich Näherndes, so wie jede Überhebung von Bedürfnissen.      
  37 Dagegen ist Menschen zu fliehen, aus Misanthropie, weil man sie anfeindet,      
           
     

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