Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 271

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 das Urtheil bestimmt: so ist es zwar gesetzmäßig, aber nicht das Urtheil      
  02 einer freien Urtheilskraft.      
           
  03 Wenn man also von intellectueller Schönheit oder Erhabenheit spricht,      
  04 so sind erstlich diese Ausdrücke nicht ganz richtig, weil es ästhetische Vorstellungsarten      
  05 sind, die, wenn wir bloße reine Intelligenzen wären (oder      
  06 uns auch in Gedanken in diese Qualität versetzen), in uns gar nicht anzutreffen      
  07 sein würden; zweitens, obgleich beide als Gegenstände eines      
  08 intellectuellen (moralischen) Wohlgefallens zwar sofern mit dem ästhetischen      
  09 vereinbar sind, als sie auf keinem Interesse beruhen: so sind sie      
  10 doch darin wiederum mit diesem schwer zu vereinigen, weil sie ein Interesse      
  11 bewirken sollen, welches, wenn die Darstellung zum Wohlgefallen      
  12 in der ästhetischen Beurtheilung zusammenstimmen soll, in dieser niemals      
  13 anders als durch ein Sinneninteresse, welches man damit in der Darstellung      
  14 verbindet, geschehen würde, wodurch aber der intellectuellen Zweckmäßigkeit      
  15 Abbruch geschieht, und sie verunreinigt wird.      
           
  16 Der Gegenstand eines reinen und unbedingten intellectuellen Wohlgefallens      
  17 ist das moralische Gesetz in seiner Macht, die es in uns über alle      
  18 und jede vor ihm vorhergehende Triebfedern des Gemüths ausübt;      
  19 und da diese Macht sich eigentlich nur durch Aufopferungen ästhetisch      
  20 kenntlich macht (welches eine Beraubung, obgleich zum Behuf der innern      
  21 Freiheit, ist, dagegen eine unergründliche Tiefe dieses übersinnlichen Vermögens      
  22 mit ihren ins Unabsehliche sich erstreckenden Folgen in uns aufdeckt):      
  23 so ist das Wohlgefallen von der ästhetischen Seite (in Beziehung      
  24 auf Sinnlichkeit) negativ, d. i. wider dieses Interesse, von der intellectuellen      
  25 aber betrachtet, positiv und mit einem Interesse verbunden. Hieraus      
  26 folgt: daß das intellectuelle, an sich selbst zweckmäßige (das Moralisch=)      
  27 Gute, ästhetisch beurtheilt, nicht sowohl schön, als vielmehr erhaben vorgestellt      
  28 werden müsse, so daß es mehr das Gefühl der Achtung (welches      
  29 den Reiz verschmäht), als der Liebe und vertraulichen Zuneigung erwecke;      
  30 weil die menschliche Natur nicht so von selbst, sondern nur durch Gewalt,      
  31 welche die Vernunft der Sinnlichkeit anthut, zu jenem Guten zusammenstimmt.      
  32 Umgekehrt wird auch das, was wir in der Natur außer uns,      
  33 oder auch in uns (z. B. gewisse Affecten) erhaben nennen, nur als eine      
  34 Macht des Gemüths, sich über gewisse Hindernisse der Sinnlichkeit durch      
  35 moralische Grundsätze zu schwingen, vorgestellt und dadurch interessant      
  36 werden.      
           
  37 Ich will bei dem letztern etwas verweilen. Die Idee des Guten mit      
           
     

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