Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 263

     
           
 

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  01 Achtung, die einer vor dem andern verdient, streiten; das ästhetische Urtheil      
  02 entscheidet für den letztern. Selbst der Krieg, wenn er mit Ordnung      
  03 und Heiligachtung der bürgerlichen Rechte geführt wird, hat etwas Erhabenes      
  04 an sich und macht zugleich die Denkungsart des Volks, welches      
  05 ihn auf diese Art führt, nur um desto erhabener, je mehreren Gefahren      
  06 es ausgesetzt war und sich muthig darunter hat behaupten können:      
  07 da hingegen ein langer Frieden den bloßen Handelsgeist, mit ihm      
  08 aber den niedrigen Eigennutz, Feigheit und Weichlichkeit herrschend zu      
  09 machen und die Denkungsart des Volks zu erniedrigen pflegt.      
           
  10 Wider diese Auflösung des Begriffs des Erhabenen, sofern dieses der      
  11 Macht beigelegt wird, scheint zu streiten: daß wir Gott im Ungewitter,      
  12 im Sturm, im Erdbeben u. d. gl. als im Zorn, zugleich aber auch in seiner      
  13 Erhabenheit sich darstellend vorstellig zu machen pflegen, wobei doch      
  14 die Einbildung einer Überlegenheit unseres Gemüths über die Wirkungen      
  15 und, wie es scheint, gar über die Absichten einer solchen Macht Thorheit      
  16 und Frevel zugleich sein würde. Hier scheint kein Gefühl der Erhabenheit      
  17 unserer eigenen Natur, sondern vielmehr Unterwerfung, Niedergeschlagenheit      
  18 und Gefühl der gänzlichen Ohnmacht die Gemüthsstimmung zu sein,      
  19 die sich für die Erscheinung eines solchen Gegenstandes schickt und auch gewöhnlichermaßen      
  20 mit der Idee desselben bei dergleichen Naturbegebenheit      
  21 verbunden zu sein pflegt. In der Religion überhaupt scheint niederwerfen,      
  22 Anbetung mit niederhängendem Haupte, mit zerknirschten, angstvollen      
  23 Geberden und Stimmen das einzig schickliche Benehmen in Gegenwart      
  24 der Gottheit zu sein, welches daher auch die meisten Völker angenommen      
  25 haben und noch beobachten. Allein diese Gemüthsstimmung ist auch bei      
  26 weitem nicht mit der Idee der Erhabenheit einer Religion und ihres      
  27 Gegenstandes an sich und nothwendig verbunden. Der Mensch, der sich      
  28 wirklich fürchtet, weil er dazu in sich Ursache findet, indem er sich bewußt      
  29 ist, mit seiner verwerflichen Gesinnung wider eine Macht zu verstoßen,      
  30 deren Wille unwiderstehlich und zugleich gerecht ist, befindet sich gar nicht      
  31 in der Gemüthsfassung, um die göttliche Größe zu bewundern, wozu eine      
  32 Stimmung zur ruhigen Contemplation und ganz freies Urtheil erforderlich      
  33 ist. Nur alsdann, wenn er sich seiner aufrichtigen gottgefälligen Gesinnung      
  34 bewußt ist, dienen jene Wirkungen der Macht, in ihm die Idee      
  35 der Erhabenheit dieses Wesens zu erwecken, sofern er eine dessen Willen      
  36 gemäße Erhabenheit der Gesinnung bei sich selbst erkennt und dadurch      
  37 über die Furcht vor solchen Wirkungen der Natur, die er nicht als Ausbrüche      
           
     

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