Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 239 |
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Text (Kant):
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| 01 | Gegenstände) überhaupt ist; und diese Stimmung kann nicht | ||||||
| 02 | anders als durch das Gefühl (nicht nach Begriffen) bestimmt werden. Da | ||||||
| 03 | sich nun diese Stimmung selbst muß allgemein mittheilen lassen, mithin | ||||||
| 04 | auch das Gefühl derselben (bei einer gegebenen Vorstellung); die allgemeine | ||||||
| 05 | Mittheilbarkeit eines Gefühls aber einen Gemeinsinn voraussetzt: | ||||||
| 06 | so wird dieser mit Grunde angenommen werden können, und zwar ohne | ||||||
| 07 | sich desfalls auf psychologische Beobachtungen zu fußen, sondern als die | ||||||
| 08 | nothwendige Bedingung der allgemeinen Mittheilbarkeit unserer Erkenntniß, | ||||||
| 09 | welche in jeder Logik und jedem Princip der Erkenntnisse, das nicht | ||||||
| 10 | skeptisch ist, vorausgesetzt werden muß. | ||||||
| 11 | § 22. |
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| 12 | Die Nothwendigkeit der allgemeinen Beistimmung, |
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| 13 | die in einem Geschmacksurtheil gedacht wird, ist eine subjective |
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| 14 | Nothwendigkeit, die unter der Voraussetzung eines |
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| 15 | Gemeinsinns als objectiv vorgestellt wird. |
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| 16 | In allen Urtheilen, wodurch wir etwas für schön erklären, verstatten | ||||||
| 17 | wir keinem anderer Meinung zu sein; ohne gleichwohl unser Urtheil auf | ||||||
| 18 | Begriffe, sondern nur auf unser Gefühl zu gründen: welches wir also nicht | ||||||
| 19 | als Privatgefühl, sondern als ein gemeinschaftliches zum Grunde legen. | ||||||
| 20 | Nun kann dieser Gemeinsinn zu diesem Behuf nicht auf der Erfahrung | ||||||
| 21 | gegründet werden; denn er will zu Urtheilen berechtigen, die ein Sollen | ||||||
| 22 | enthalten: er sagt nicht, daß jedermann mit unserm Urtheile übereinstimmen | ||||||
| 23 | werde, sondern damit zusammenstimmen solle. Also ist der | ||||||
| 24 | Gemeinsinn, von dessen Urtheil ich mein Geschmacksurtheil hier als ein | ||||||
| 25 | Beispiel angebe und weswegen ich ihm exemplarische Gültigkeit beilege, | ||||||
| 26 | eine bloße idealische Norm, unter deren Voraussetzung man ein Urtheil, | ||||||
| 27 | welches mit ihr zusammenstimmte, und das in demselben ausgedrückte | ||||||
| 28 | Wohlgefallen an einem Object für jedermann mit Recht zur Regel | ||||||
| 29 | machen könnte: weil das Princip, zwar nur subjectiv, dennoch aber, für | ||||||
| 30 | subjectiv=allgemein (eine jedermann nothwendige Idee) angenommen, was | ||||||
| 31 | die Einhelligkeit verschiedener Urtheilenden betrifft, gleich einem objectiven | ||||||
| 32 | allgemeine Beistimmung fordern könnte; wenn man nur sicher wäre, darunter | ||||||
| 33 | richtig subsumirt zu haben. | ||||||
| 34 | Diese unbestimmte Norm eines Gemeinsinns wird von uns wirklich | ||||||
| 35 | vorausgesetzt: das beweiset unsere Anmaßung Geschmacksurtheile zu fällen. | ||||||
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