Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 209 |
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| 01 | einen absoluten Werth; und die Glückseligkeit ist mit der ganzen Fülle | ||||||
| 02 | ihrer Annehmlichkeit bei weitem nicht ein unbedingtes Gut*). | ||||||
| 03 | Aber ungeachtet aller dieser Verschiedenheit zwischen dem Angenehmen | ||||||
| 04 | und Guten kommen beide doch darin überein: daß sie jederzeit mit | ||||||
| 05 | einem Interesse an ihrem Gegenstande verbunden sind, nicht allein das Angenehme, | ||||||
| 06 | § 3, und das mittelbar Gute (das Nützliche), welches als Mittel | ||||||
| 07 | zu irgend einer Annehmlichkeit gefällt, sondern auch das schlechterdings | ||||||
| 08 | und in aller Absicht Gute, nämlich das moralische, welches das höchste | ||||||
| 09 | Interesse bei sich führt. Denn das Gute ist das Object des Willens (d. i. | ||||||
| 10 | eines durch Vernunft bestimmten Begehrungsvermögens). Etwas aber | ||||||
| 11 | wollen und an dem Dasein desselben ein Wohlgefallen haben, d. i. daran | ||||||
| 12 | ein Interesse nehmen, ist identisch. | ||||||
| 13 | § 5. |
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| 14 | Vergleichung der drei specifisch verschiedenen Arten des |
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| 15 | Wohlgefallens. |
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| 16 | Das Angenehme und Gute haben beide eine Beziehung auf das Begehrungsvermögen | ||||||
| 17 | und führen sofern, jenes ein pathologisch=bedingtes | ||||||
| 18 | (durch Anreize, stimulos ), dieses ein reines praktisches Wohlgefallen bei | ||||||
| 19 | sich, welches nicht bloß durch die Vorstellung des Gegenstandes, sondern | ||||||
| 20 | zugleich durch die vorgestellte Verknüpfung des Subjects mit der Existenz | ||||||
| 21 | desselben bestimmt wird. Nicht bloß der Gegenstand, sondern auch | ||||||
| 22 | die Existenz desselben gefällt. Dagegen ist das Geschmacksurtheil bloß | ||||||
| 23 | contemplativ, d. i. ein Urtheil, welches, indifferent in Ansehung des | ||||||
| 24 | Daseins eines Gegenstandes, nur seine Beschaffenheit mit dem Gefühl der | ||||||
| 25 | Lust und Unlust zusammenhält. Aber diese Contemplation selbst ist auch | ||||||
| 26 | nicht auf Begriffe gerichtet; denn das Geschmacksurtheil ist kein Erkenntnißurtheil | ||||||
| 27 | (weder ein theoretisches noch praktisches) und daher auch nicht | ||||||
| 28 | auf Begriffe gegründet, oder auch auf solche abgezweckt. | ||||||
| 29 | Das Angenehme, das Schöne, das Gute bezeichnen also drei verschiedene | ||||||
| 30 | Verhältnisse der Vorstellungen zum Gefühl der Lust und Unlust, in | ||||||
| *) Eine Verbindlichkeit zum Genießen ist eine offenbare Ungereimtheit. Eben das muß also auch eine vorgegebene Verbindlichkeit zu allen Handlungen sein, die zu ihrem Ziele blos das Genießen haben: dieses mag nun so geistig ausgedacht (oder verbrämt) sein, wie es wolle, und wenn es auch ein mystischer, sogenannter himmlischer Genuß wäre. | |||||||
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