Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 204 |
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01 | das Gefühl der Lust und Unlust, wodurch gar nichts im Objecte bezeichnet | ||||||
02 | wird, sondern in der das Subject, wie es durch die Vorstellung afficirt | ||||||
03 | wird, sich selbst fühlt. | ||||||
04 | Ein regelmäßiges, zweckmäßiges Gebäude mit seinem Erkenntnißvermögen | ||||||
05 | (es sei in deutlicher oder verworrener Vorstellungsart) zu befassen, | ||||||
06 | ist ganz etwas anders, als sich dieser Vorstellung mit der Empfindung des | ||||||
07 | Wohlgefallens bewußt zu sein. Hier wird die Vorstellung gänzlich auf | ||||||
08 | das Subject und zwar auf das Lebensgefühl desselben unter dem Namen | ||||||
09 | des Gefühls der Lust oder Unlust bezogen: welches ein ganz besonderes | ||||||
10 | Unterscheidungs= und Beurtheilungsvermögen gründet, das zum Erkenntniß | ||||||
11 | nichts beiträgt, sondern nur die gegebene Vorstellung im Subjecte | ||||||
12 | gegen das ganze Vermögen der Vorstellungen hält, dessen sich das Gemüth | ||||||
13 | im Gefühl seines Zustandes bewußt wird. Gegebene Vorstellungen in | ||||||
14 | einem Urtheile können empirisch (mithin ästhetisch) sein; das Urtheil aber, | ||||||
15 | das durch sie gefällt wird, ist logisch, wenn jene nur im Urtheile auf das | ||||||
16 | Object bezogen werden. Umgekehrt aber, wenn die gegebenen Vorstellungen | ||||||
17 | gar rational wären, würden aber in einem Urtheile lediglich auf | ||||||
18 | das Subject (sein Gefühl) bezogen, so sind sie sofern jederzeit ästhetisch. | ||||||
19 | § 2. |
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20 | Das Wohlgefallen, welches das Geschmacksurtheil bestimmt, |
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21 | ist ohne alles Interesse. |
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22 | Interesse wird das Wohlgefallen genannt, was wir mit der Vorstellung | ||||||
23 | der Existenz eines Gegenstandes verbinden. Ein solches hat daher | ||||||
24 | immer zugleich Beziehung auf das Begehrungsvermögen, entweder als Bestimmungsgrund | ||||||
25 | desselben, oder doch als mit dem Bestimmungsgrunde desselben | ||||||
26 | nothwendig zusammenhängend. Nun will man aber, wenn die Frage | ||||||
27 | ist, ob etwas schön sei, nicht wissen, ob uns oder irgend jemand an der Existenz | ||||||
28 | der Sache irgend etwas gelegen sei, oder auch nur gelegen sein könne; | ||||||
29 | sondern, wie wir sie in der bloßen Betrachtung (Anschauung oder Reflexion) | ||||||
30 | beurtheilen. Wenn mich jemand fragt, ob ich den Palast, den ich vor mir | ||||||
31 | sehe, schön finde, so mag ich zwar sagen: ich liebe dergleichen Dinge nicht, | ||||||
32 | die blos für das Angaffen gemacht sind, oder, wie jener irokesische Sachem, | ||||||
33 | ihm gefalle in Paris nichts besser als die Garküchen; ich kann noch überdem | ||||||
34 | auf die Eitelkeit der Großen auf gut Rousseauisch schmälen, welche | ||||||
35 | den Schweiß des Volks auf so entbehrliche Dinge verwenden; ich kann | ||||||
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