Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 172 |
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| 01 | unter denselben Benennungen einer theoretischen und praktischen Philosophie | ||||||
| 02 | eine Eintheilung machte, durch welche (da beide Theile einerlei | ||||||
| 03 | Principien haben konnten) in der That nichts eingetheilt war. | ||||||
| 04 | Der Wille, als Begehrungsvermögen, ist nämlich eine von den mancherlei | ||||||
| 05 | Naturursachen in der Welt, nämlich diejenige, welche nach Begriffen | ||||||
| 06 | wirkt; und Alles, was als durch einen Willen möglich (oder nothwendig) | ||||||
| 07 | vorgestellt wird, heißt praktisch=möglich (oder nothwendig): zum | ||||||
| 08 | Unterschiede von der physischen Möglichkeit oder Nothwendigkeit einer | ||||||
| 09 | Wirkung, wozu die Ursache nicht durch Begriffe (sondern wie bei der leblosen | ||||||
| 10 | Materie durch Mechanism und bei Thieren durch Instinct) zur | ||||||
| 11 | Causalität bestimmt wird. - Hier wird nun in Ansehung des Praktischen | ||||||
| 12 | unbestimmt gelassen: ob der Begriff, der der Causalität des Willens die | ||||||
| 13 | Regel giebt, ein Naturbegriff, oder ein Freiheitsbegriff sei. | ||||||
| 14 | Der letztere Unterschied aber ist wesentlich. Denn ist der die Causalität | ||||||
| 15 | bestimmende Begriff ein Naturbegriff, so sind die Principien technisch | ||||||
| 16 | =praktisch;ist er aber ein Freiheitsbegriff, so sind diese moralisch | ||||||
| 17 | praktisch: und weil es in der Eintheilung einer Vernunftwissenschaft | ||||||
| 18 | gänzlich auf diejenige Verschiedenheit der Gegenstände ankommt, deren | ||||||
| 19 | Erkenntniß verschiedener Principien bedarf, so werden die ersteren zur | ||||||
| 20 | theoretischen Philosophie (als Naturlehre) gehören, die andern aber ganz | ||||||
| 21 | allein den zweiten Theil, nämlich (als Sittenlehre) die praktische Philosophie, | ||||||
| 22 | ausmachen. | ||||||
| 23 | Alle technisch=praktische Regeln (d. i. die der Kunst und Geschicklichkeit | ||||||
| 24 | überhaupt, oder auch der Klugheit, als einer Geschicklichkeit auf | ||||||
| 25 | Menschen und ihren Willen Einfluß zu haben), so fern ihre Principien | ||||||
| 26 | auf Begriffen beruhen, müssen nur als Corollarien zur theoretischen Philosophie | ||||||
| 27 | gezählt werden. Denn sie betreffen nur die Möglichkeit der Dinge | ||||||
| 28 | nach Naturbegriffen, wozu nicht allein die Mittel, die in der Natur dazu | ||||||
| 29 | anzutreffen sind, sondern selbst der Wille (als Begehrungs=, mithin als | ||||||
| 30 | Naturvermögen) gehört, sofern er durch Triebfedern der Natur jenen Regeln | ||||||
| 31 | gemäß bestimmt werden kann. Doch heißen dergleichen praktische | ||||||
| 32 | Regeln nicht Gesetze (etwa so wie physische), sondern nur Vorschriften: | ||||||
| 33 | und zwar darum, weil der Wille nicht bloß unter dem Naturbegriffe, sondern | ||||||
| 34 | auch unter dem Freiheitsbegriffe steht, in Beziehung auf welchen die | ||||||
| 35 | Principien desselben Gesetze heißen und mit ihren Folgerungen den zweiten | ||||||
| 36 | Theil der Philosophie, nämlich den praktischen, allein ausmachen. | ||||||
| 37 | So wenig also die Auflösung der Probleme der reinen Geometrie zu | ||||||
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