Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 138

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ihren Gegenstand (über die blos ontologischen Prädicate hinaus) bestimmende      
  02 Eigenschaft, etwa des Verstandes oder des Willens, zu nennen,      
  03 an der man nicht unwidersprechlich darthun könnte, daß, wenn man alles      
  04 Anthropomorphistische davon absondert, uns nur das bloße Wort übrig      
  05 bleibe, ohne damit den mindesten Begriff verbinden zu können, dadurch      
  06 eine Erweiterung der theoretischen Erkenntniß gehofft werden dürfte. In      
  07 Ansehung des Praktischen aber bleibt uns von den Eigenschaften eines      
  08 Verstandes und Willens doch noch der Begriff eines Verhältnisses übrig,      
  09 welchem das praktische Gesetz (das gerade dieses Verhältniß des Verstandes      
  10 zum Willen a priori bestimmt) objective Realität verschafft. Ist dieses      
  11 nun einmal geschehen, so wird dem Begriffe des Objects eines moralisch      
  12 bestimmten Willens (dem des höchsten Guts) und mit ihm den Bedingungen      
  13 seiner Möglichkeit, den Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit,      
  14 auch Realität, aber immer nur in Beziehung auf die Ausübung des      
  15 moralischen Gesetzes (zu keinem speculativen Behuf) gegeben.      
           
  16 Nach diesen Erinnerungen ist nun auch die Beantwortung der wichtigen      
  17 Frage leicht zu finden: ob der Begriff von Gott ein zur Physik      
  18 (mithin auch zur Metaphysik, als die nur die reinen Principien a priori      
  19 der ersteren in allgemeiner Bedeutung enthält) oder ein zur Moral gehöriger      
  20 Begriff sei. Natureinrichtungen, oder deren Veränderung zu erklären,      
  21 wenn man da zu Gott als dem Urheber aller Dinge seine Zuflucht      
  22 nimmt, ist wenigstens keine physische Erklärung und überall ein Geständniß,      
  23 man sei mit seiner Philosophie zu Ende: weil man genöthigt ist, etwas,      
  24 wovon man sonst für sich keinen Begriff hat, anzunehmen, um sich von der      
  25 Möglichkeit dessen, was man vor Augen sieht, einen Begriff machen zu      
  26 können. Durch Metaphysik aber von der Kenntniß dieser Welt zum Begriffe      
  27 von Gott und dem Beweise seiner Existenz durch sichere Schlüsse      
  28 zu gelangen, ist darum unmöglich, weil wir diese Welt als das vollkommenste      
  29 mögliche Ganze, mithin zu diesem Behuf alle mögliche Welten      
  30 (um sie mit dieser vergleichen zu können) erkennen, mithin allwissend sein      
           
    heißen. Wollte man aber auch den, der im Besitze von Vernunftwissenschaften (Mathematik und Philosophie) ist, einen Gelehrten nennen, obgleich dieses schon der Wortbedeutung (als die jederzeit nur dasjenige, was man durchaus gelehrt werden muß, und was man also nicht von selbst, durch Vernunft, erfinden kann, zur Gelehrsamkeit zählt) widerstreiten würde: so möchte wohl der Philosoph mit seiner Erkenntniß Gottes als positiver Wissenschaft eine zu schlechte Figur machen, um sich deshalb einen Gelehrten nennen zu lassen.      
           
     

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