Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 107

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
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Zweites Buch.

     
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Dialektik der reinen praktischen Vernunft.

     
           
  03

Erstes Hauptstück.

     
  04

Von einer Dialektik der reinen praktischen Vernunft

     
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überhaupt.

     
           
  06 Die reine Vernunft hat jederzeit ihre Dialektik, man mag sie in ihrem      
  07 speculativen oder praktischen Gebrauche betrachten; denn sie verlangt die      
  08 absolute Totalität der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten, und      
  09 diese kann schlechterdings nur in Dingen an sich selbst angetroffen werden.      
  10 Da aber alle Begriffe der Dinge auf Anschauungen bezogen werden      
  11 müssen, welche bei uns Menschen niemals anders als sinnlich sein können,      
  12 mithin die Gegenstände nicht als Dinge an sich selbst, sondern blos als      
  13 Erscheinungen erkennen lassen, in deren Reihe des Bedingten und der Bedingungen      
  14 das Unbedingte niemals angetroffen werden kann, so entspringt      
  15 ein unvermeidlicher Schein aus der Anwendung dieser Vernunftidee der      
  16 Totalität der Bedingungen (mithin des Unbedingten) auf Erscheinungen,      
  17 als wären sie Sachen an sich selbst (denn dafür werden sie in Ermangelung      
  18 einer warnenden Kritik jederzeit gehalten), der aber niemals als      
  19 trüglich bemerkt werden würde, wenn er sich nicht durch einen Widerstreit      
  20 der Vernunft mit sich selbst in der Anwendung ihres Grundsatzes,      
  21 das Unbedingte zu allem Bedingten vorauszusetzen, auf Erscheinungen      
  22 selbst verriethe. Hiedurch wird aber die Vernunft genöthigt, diesem      
  23 Scheine nachzuspüren, woraus er entspringe, und wie er gehoben werden      
  24 könne, welches nicht anders als durch eine vollständige Kritik des ganzen      
  25 reinen Vernunftvermögens geschehen kann; so daß die Antinomie der      
  26 reinen Vernunft, die in ihrer Dialektik offenbar wird, in der That die      
  27 wohlthätigste Verirrung ist, in die die menschliche Vernunft je hat gerathen      
  28 können, indem sie uns zuletzt antreibt, den Schlüssel zu suchen,      
  29 aus diesem Labyrinthe herauszukommen, der, wenn er gefunden worden,      
  30 noch das entdeckt, was man nicht suchte und doch bedarf, nämlich eine Aussicht      
  31 in eine höhere, unveränderliche Ordnung der Dinge, in der wir schon      
  32 jetzt sind, und in der unser Dasein der höchsten Vernunftbestimmung      
           
     

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