Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 065 |
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01 | indessen daß man ihn gleichwohl aus ihren Systemen hervorblicken sieht, | ||||||
02 | da er alsdann allenthalben Heteronomie der praktischen Vernunft verräth, | ||||||
03 | daraus nimmermehr ein a priori allgemein gebietendes moralisches Gesetz | ||||||
04 | entspringen kann. | ||||||
05 | Da nun die Begriffe des Guten und Bösen als Folgen der Willensbestimmung | ||||||
06 | a priori auch ein reines praktisches Princip, mithin eine Causalität | ||||||
07 | der reinen Vernunft voraussetzen: so beziehen sie sich ursprünglich | ||||||
08 | nicht (etwa als Bestimmungen der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen | ||||||
09 | gegebener Anschauungen in einem Bewußtsein) auf Objecte, wie die | ||||||
10 | reinen Verstandesbegriffe oder Kategorien der theoretisch gebrauchten Vernunft, | ||||||
11 | sie setzen diese vielmehr als gegeben voraus; sondern sie sind insgesammt | ||||||
12 | modi einer einzigen Kategorie, nämlich der der Causalität, so fern | ||||||
13 | der Bestimmungsgrund derselben in der Vernunftvorstellung eines Gesetzes | ||||||
14 | derselben besteht, welches als Gesetz der Freiheit die Vernunft sich selbst | ||||||
15 | giebt und dadurch sich a priori als praktisch beweiset. Da indessen die Handlungen | ||||||
16 | einerseits zwar unter einem Gesetze, das kein Naturgesetz, sondern | ||||||
17 | ein Gesetz der Freiheit ist, folglich zu dem Verhalten intelligibeler Wesen, | ||||||
18 | andererseits aber doch auch als Begebenheiten in der Sinnenwelt zu | ||||||
19 | den Erscheinungen gehören, so werden die Bestimmungen einer praktischen | ||||||
20 | Vernunft nur in Beziehung auf die letztere, folglich zwar den Kategorien | ||||||
21 | des Verstandes gemäß, aber nicht in der Absicht eines theoretischen Gebrauchs | ||||||
22 | desselben, um das Mannigfaltige der (sinnlichen) Anschauung | ||||||
23 | unter ein Bewußtsein a priori zu bringen, sondern nur um das Mannigfaltige | ||||||
24 | der Begehrungen der Einheit des Bewußtseins einer im moralischen | ||||||
25 | Gesetze gebietenden praktischen Vernunft oder eines reinen Willens | ||||||
26 | a priori zu unterwerfen, Statt haben können. | ||||||
27 | Diese Kategorien der Freiheit, denn so wollen wir sie statt jener | ||||||
28 | theoretischen Begriffe als Kategorien der Natur benennen, haben einen | ||||||
29 | augenscheinlichen Vorzug vor den letzteren , daß, da diese nur Gedankenformen | ||||||
30 | sind, welche nur unbestimmt Objecte überhaupt für jede uns mögliche | ||||||
31 | Anschauung durch allgemeine Begriffe bezeichnen, diese hingegen, da | ||||||
32 | sie auf die Bestimmung einer freien Willkür gehen (der zwar keine Anschauung | ||||||
33 | völlig correspondirend gegeben werden kann, die aber, welches | ||||||
34 | bei keinen Begriffen des theoretischen Gebrauchs unseres Erkenntnißvermögens | ||||||
35 | stattfindet, ein reines praktisches Gesetz a priori zum Grunde liegen | ||||||
36 | hat), als praktische Elementarbegriffe statt der Form der Anschauung | ||||||
37 | (Raum und Zeit), die nicht in der Vernunft selbst liegt, sondern anderwärts, | ||||||
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