Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 007

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vernunft kann alle diese Mißdeutung heben und die consequente      
  02 Denkungsart, welche eben ihren größten Vorzug ausmacht, in ein helles      
  03 Licht setzen.      
           
  04 So viel zur Rechtfertigung, warum in diesem Werke die Begriffe und      
  05 Grundsätze der reinen speculativen Vernunft, welche doch ihre besondere      
  06 Kritik schon erlitten haben, hier hin und wieder nochmals der Prüfung      
  07 unterworfen werden, welches dem systematischen Gange einer zu errichtenden      
  08 Wissenschaft sonst nicht wohl geziemt (da abgeurtheilte Sachen billig      
  09 nur angeführt und nicht wiederum in Anregung gebracht werden müssen),      
  10 doch hier erlaubt, ja nöthig war: weil die Vernunft mit jenen Begriffen      
  11 im Übergange zu einem ganz anderen Gebrauche betrachtet wird, als den      
  12 sie dort von ihnen machte. Ein solcher Übergang macht aber eine Vergleichung      
  13 des älteren mit dem neuern Gebrauche nothwendig, um das      
  14 neue Gleis von dem vorigen wohl zu unterscheiden und zugleich den Zusammenhang      
  15 derselben bemerken zu lassen. Man wird also Betrachtungen      
  16 dieser Art, unter andern diejenige, welche nochmals auf den Begriff der      
  17 Freiheit, aber im praktischen Gebrauche der reinen Vernunft, gerichtet      
  18 worden, nicht wie Einschiebsel betrachten, die etwa nur dazu dienen sollen,      
  19 um Lücken des kritischen Systems der speculativen Vernunft auszufüllen      
  20 (denn dieses ist in seiner Absicht vollständig) und, wie es bei einem übereilten      
  21 Baue herzugehen pflegt, hintennach noch Stützen und Strebepfeiler      
  22 anzubringen, sondern als wahre Glieder, die den Zusammenhang des      
  23 Systems bemerklich machen, um Begriffe, die dort nur problematisch vorgestellt      
  24 werden konnten, jetzt in ihrer realen Darstellung einsehen zu lassen.      
  25 Diese Erinnerung geht vornehmlich den Begriff der Freiheit an, von dem      
  26 man mit Befremdung bemerken muß, daß noch so viele ihn ganz wohl      
  27 einzusehen und die Möglichkeit derselben erklären zu können sich rühmen,      
  28 indem sie ihn bloß in psychologischer Beziehung betrachten, indessen daß,      
  29 wenn sie ihn vorher in transscendentaler genau erwogen hätten, sie sowohl      
  30 seine Unentbehrlichkeit als problematischen Begriffs in vollständigem      
  31 Gebrauche der speculativen Vernunft, als auch die völlige Unbegreiflichkeit      
  32 desselben hätten erkennen und, wenn sie nachher mit ihm zum praktischen      
  33 Gebrauche gingen, gerade auf die nämliche Bestimmung des letzteren      
  34 in Ansehung seiner Grundsätze von selbst hätten kommen müssen, zu welcher      
  35 sie sich sonst so ungern verstehen wollen. Der Begriff der Freiheit ist      
  36 der Stein des Anstoßes für alle Empiristen, aber auch der Schlüssel zu      
  37 den erhabensten praktischen Grundsätzen für kritische Moralisten, die dadurch      
           
     

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