Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 564 |
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01 | nicht wahre Anziehung, vielmehr etwa blos die Wirkung einer Zusammendrückung | ||||||
02 | durch äußere, im Weltraume allenthalben verbreitete Materie (den | ||||||
03 | Äther), welche selbst nur durch eine allgemeine und ursprüngliche Anziehung, | ||||||
04 | nämlich die Gravitation, zu diesem Drucke gebracht wird, sein sollte , welche | ||||||
05 | Meinung manche Gründe für sich hat, so würde der leere Raum innerhalb den | ||||||
06 | Materien, wenn gleich nicht logisch, doch dynamisch und also physisch unmöglich | ||||||
07 | sein, weil jede Materie sich in die leeren Räume, die man innerhalb derselben annähme, | ||||||
08 | (da ihrer expansiven Kraft hier nichts widersteht) von selbst ausbreiten | ||||||
09 | und sie jederzeit erfüllt haben würde. Ein leerer Raum außer der Welt würde, | ||||||
10 | wenn man unter dieser den Inbegriff aller vorzüglich attractiven Materien (der | ||||||
11 | großen Weltkörper) versteht, aus eben denselben Gründen unmöglich sein, weil nach | ||||||
12 | dem Maße, als die Entfernung von diesen zunimmt, auch die Anziehungskraft auf | ||||||
13 | den Äther (der jene Körper alle einschließt und, von jener getrieben, sie in ihrer | ||||||
14 | Dichtigkeit durch Zusammendrückung erhält) in umgekehrtem Verhältnisse abnimmt, | ||||||
15 | dieser also selbst nur ins Unendliche an Dichtigkeit abnehmen, nirgend aber den | ||||||
16 | Raum ganz leer lassen würde. Daß es indessen mit dieser Wegschaffung des leeren | ||||||
17 | Raums ganz hypothetisch zugeht, darf niemand befremden; geht es doch mit der | ||||||
18 | Behauptung desselben nicht besser zu. Diejenige, welche diese Streitfrage dogmatisch | ||||||
19 | zu entscheiden wagen, sie mögen es bejahend oder verneinend thun, stützen sich zuletzt | ||||||
20 | auf lauter metaphysische Voraussetzungen , wie aus der Dynamik zu ersehen | ||||||
21 | ist, und es war wenigstens nöthig, hier zu zeigen, daß diese über gedachte Aufgabe | ||||||
22 | gar nicht entscheiden können. Was drittens den leeren Raum in mechanischer | ||||||
23 | Absicht betrifft, so ist dieser das gehäufte Leere innerhalb dem Weltganzen, um | ||||||
24 | den Weltkörpern freie Bewegung zu verschaffen. Man sieht leicht, daß die Möglichkeit | ||||||
25 | oder Unmöglichkeit desselben nicht auf metaphysischen Gründen, sondern | ||||||
26 | dem schwer aufzuschließenden Naturgeheimnisse, auf welche Art die Materie ihrer | ||||||
27 | eigenen ausdehnenden Kraft Schranken setze, beruhe. Gleichwohl, wenn das, was | ||||||
28 | in der allgem. Anmerk. zur Dynamik von der ins Unendliche möglichen größeren | ||||||
29 | Ausdehnung specifisch verschiedener Stoffe bei derselben Quantität der Materie | ||||||
30 | (ihrem Gewichte nach) gesagt worden, eingeräumt wird, so möchte wohl um der | ||||||
31 | freien und daurenden Bewegung der Weltkörper willen einen leeren Raum anzunehmen | ||||||
32 | unnöthig sein, weil der Widerstand selbst bei gänzlich erfüllten Räumen | ||||||
33 | alsdann doch so klein, als man will, gedacht werden kann. | ||||||
34 | Und so endigt sich die metaphysische Körperlehre mit dem Leeren und eben | ||||||
35 | darum Unbegreiflichen, worin sie einerlei Schicksal mit allen übrigen Versuchen der | ||||||
36 | Vernunft hat, wenn sie im Zurückgehen zu Principien den ersten Gründen der | ||||||
37 | Dinge nachstrebt, da, weil es ihre Natur so mit sich bringt, niemals etwas anders, | ||||||
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