Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 543 |
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01 | Substanz, von der man, was sie sei, durch diesen Ausdruck keinen Begriff hat. Dagegen | ||||||
02 | der Begriff einer Materie als Substanz der Begriff des Beweglichen im | ||||||
03 | Raume ist. Es ist daher kein Wunder, wenn von der letzteren die Beharrlichkeit | ||||||
04 | der Substanz bewiesen werden kann, von der ersteren aber nicht, weil bei der Materie | ||||||
05 | schon aus ihrem Begriffe, nämlich daß sie das Bewegliche sei, das nur im | ||||||
06 | Raume möglich ist, fließt, daß das, was in ihr Größe hat, eine Vielheit des Realen | ||||||
07 | außer einander, mithin der Substanzen enthalte, und folglich die Quantität | ||||||
08 | derselben nur durch Zertheilung, welche kein Verschwinden ist, vermindert werden | ||||||
09 | könne, und das letztere in ihr nach dem Gesetze der Stetigkeit auch unmöglich sein | ||||||
10 | würde. Der Gedanke Ich ist dagegen gar kein Begriff, sondern nur innere | ||||||
11 | Wahrnehmung, aus ihm kann also auch gar nichts (außer der gänzliche Unterschied | ||||||
12 | eines Gegenstandes des inneren Sinnes von dem, was blos als Gegenstand | ||||||
13 | äußerer Sinne gedacht wird), folglich auch nicht die Beharrlichkeit der Seele als | ||||||
14 | Substanz gefolgert werden. | ||||||
15 | Lehrsatz 3. |
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16 | Zweites Gesetz der Mechanik. Alle Veränderung der | ||||||
17 | Materie hat eine äußere Ursache. (Ein jeder Körper beharrt in | ||||||
18 | seinem Zustande der Ruhe oder Bewegung, in derselben Richtung | ||||||
19 | und mit derselben Geschwindigkeit, wenn er nicht durch eine | ||||||
20 | äußere Ursache genöthigt wird, diesen Zustand zu verlassen.) | ||||||
21 | Beweis. |
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22 | (Aus der allgemeinen Metaphysik wird der Satz zum Grunde gelegt, | ||||||
23 | daß alle Veränderung eine Ursache habe; hier soll von der Materie nur | ||||||
24 | bewiesen werden, daß ihre Veränderung jederzeit eine äußere Ursache | ||||||
25 | haben müsse.) Die Materie als bloßer Gegenstand äußerer Sinne hat | ||||||
26 | keine andere Bestimmungen, als die der äußeren Verhältnisse im Raume | ||||||
27 | und erleidet also auch keine Veränderungen, als durch Bewegung. In | ||||||
28 | Ansehung dieser als Wechsels einer Bewegung mit einer andern oder derselben | ||||||
29 | mit der Ruhe und umgekehrt muß eine Ursache derselben angetroffen | ||||||
30 | werden (nach Princ. der Metaph.). Diese Ursache aber kann nicht | ||||||
31 | innerlich sein, denn die Materie hat keine schlechthin innere Bestimmungen | ||||||
32 | und Bestimmungsgründe. Also ist alle Veränderung einer Materie | ||||||
33 | auf äußere Ursache gegründet (d. i. ein Körper beharrt, u. s. w.). | ||||||
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