Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 531 |
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01 | ihre Ausdehnung auf nichts bringen können; da hingegen hier die Ausdehnung | ||||||
02 | bleibt, nur daß die Materien nicht außer einander, sondern in einander, d. i. durch | ||||||
03 | Intussusception (wie man es zu nennen pflegt), zusammen einen der Summe | ||||||
04 | ihrer Dichtigkeit gemäßen Raum einnehmen. Gegen die Möglichkeit dieser vollkommenen | ||||||
05 | Auflösung und also der chemischen Durchdringung ist schwerlich etwas | ||||||
06 | einzuwenden, obgleich sie eine vollendete Theilung ins Unendliche enthält, die | ||||||
07 | in diesem Falle doch keinen Widerspruch in sich faßt, weil die Auflösung eine Zeit | ||||||
08 | hindurch continuirlich, mithin gleichfalls durch eine unendliche Reihe Augenblicke | ||||||
09 | mit Acceleration geschieht, überdem durch die Theilung die Summe der Oberflächen | ||||||
10 | der noch zu theilenden Materien wachsen und, da die auflösende Kraft continuirlich | ||||||
11 | wirkt, die gänzliche Auflösung in einer anzugebenden Zeit vollendet werden | ||||||
12 | kann. Die Unbegreiflichkeit einer solchen chemischen Durchdringung zweier Materien | ||||||
13 | ist auf Rechnung der Unbegreiflichkeit der Theilbarkeit eines jeden Continuum | ||||||
14 | überhaupt ins Unendliche zu schreiben. Geht man von dieser vollständigen Auflösung | ||||||
15 | ab, so muß man annehmen, sie ginge nur bis zu gewissen kleinen Klumpen | ||||||
16 | der aufzulösenden Materie, die in dem Auflösungsmittel in gesetzten Weiten von | ||||||
17 | einander schwimmen, ohne daß man den mindesten Grund angeben kann, warum | ||||||
18 | diese Klümpchen, da sie doch immer theilbare Materien sind, nicht gleichfalls aufgelöset | ||||||
19 | werden. Denn daß das Auflösungsmittel nicht weiter wirke, mag immer | ||||||
20 | in der Natur, so weit Erfahrung reicht, seine gute Richtigkeit haben; es ist hier | ||||||
21 | aber nur die Rede von der Möglichkeit einer auflösenden Kraft, die auch dieses | ||||||
22 | Klümpchen und so ferner jedes andere, was noch übrig bleibt, auflöse, bis die | ||||||
23 | Solution vollendet ist. Das Volumen, was die Auflösung einnimmt, kann | ||||||
24 | der Summe der Räume, die die einander auflösende Materien vor der | ||||||
25 | Mischung einnahmen, gleich oder kleiner oder auch größer sein, nachdem die anziehenden | ||||||
26 | Kräfte gegen die Zurückstoßungen in Verhältniß stehen. Sie machen | ||||||
27 | in der Auflösung jede für sich und beide vereinigt ein elastisches Medium | ||||||
28 | aus. Dieses kann auch allein einen hinreichenden Grund angeben, warum die | ||||||
29 | aufgelösete Materie sich durch ihre Schwere nicht wiederum vom auflösenden | ||||||
30 | Mittel scheide. Denn die Anziehung des letzteren, da sie nach allen Seiten gleich | ||||||
31 | stark geschieht, hebt ihren Widerstand selbst auf, und eine gewisse Klebrigkeit im | ||||||
32 | Flüssigen anzunehmen, stimmt auch gar nicht mit der großen Kraft, die dergleichen | ||||||
33 | aufgelösete Materien, z. B. die Säuren, mit Wasser verdünnt, auf metallische | ||||||
34 | Körper ausüben, an die sie sich nicht blos anlegen, wie es Geschehen | ||||||
35 | müßte, wenn sie blos in ihrem Medium schwömmen, sondern die sie mit großer | ||||||
36 | Anziehungskraft von einander trennen und im ganzen Raume des Vehikels verbreiten. | ||||||
37 | Gesetzt auch, daß die Kunst keine chemische Auflösungskräfte dieser Art, | ||||||
38 | die eine vollständige Auflösung bewirkten, in ihrer Gewalt hätte, so könnte doch | ||||||
39 | vielleicht die Natur sie in ihren vegetabilischen und animalischen Operationen | ||||||
40 | beweisen und dadurch vielleicht Materien erzeugen, die, ob sie zwar gemischt sind, | ||||||
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