Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 527 |
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01 | Theile, mithin auch Materien werden getrennt, wenn die | ||||||
02 | Berührung nicht blos mit andern verwechselt, sondern aufgehoben | ||||||
03 | oder ihr Quantum vermindert wird. Ein fester - besser ein starrer | ||||||
04 | Körper ( corpus rigidum ) ist der, dessen Theile nicht durch jede Kraft an | ||||||
05 | einander verschoben werden können - die folglich mit einem gewissen | ||||||
06 | Grade von Kraft dem Verschieben widerstehen. - Das Hinderniß des Verschiebens | ||||||
07 | der Materien an einander ist die Reibung. Der Widerstand | ||||||
08 | gegen die Trennung sich berührender Materien ist der Zusammenhang. Flüssige | ||||||
09 | Materien erleiden also in ihrer Theilung keine Reibung, sondern wo diese angetroffen | ||||||
10 | wird, werden die Materien als starr - in größerem oder minderem Grade, | ||||||
11 | deren der letzte Klebrigkeit ( viscositas ) heißt - wenigstens ihren kleineren | ||||||
12 | Theilen nach angenommen. Der starre Körper ist spröde, wenn seine | ||||||
13 | Theile nicht können an einander verschoben werden, ohne zu reißen, | ||||||
14 | - mithin wenn der Zusammenhang derselben nicht kann verändert, ohne zugleich | ||||||
15 | aufgehoben zu werden. (Man setzt sehr unrichtig den Unterschied der flüssigen | ||||||
16 | und festen Materien in dem verschiedenen Grade des Zusammenhanges ihrer | ||||||
17 | Theile. Denn um eine Materie flüssig zu nennen, kommt es nicht auf den Grad | ||||||
18 | des Widerstandes an, den sie dem Zerreißen, sondern nur dem Verschieben ihrer | ||||||
19 | Theile an einander entgegensetzt. Jener kann so groß sein, als man will, so ist | ||||||
20 | dieser doch jederzeit in einer flüssigen Materie = 0. Man betrachte einen Tropfen | ||||||
21 | Wasser. Wenn ein Theilchen innerhalb demselben durch eine noch so große Attraction | ||||||
22 | der Nebentheile, die es berühren, nach der einen Seite gezogen wird, so wird | ||||||
23 | eben dasselbe doch auch gerade eben so viel nach der entgegengesetzten gezogen, und | ||||||
24 | da die Attractionen beiderseitig ihre Wirkungen aufheben, ist das Partikelchen | ||||||
25 | eben so leicht beweglich, als ob es im leeren Raume sich befände, nämlich die | ||||||
26 | Kraft, die es bewegen soll, hat keinen Zusammenhang zu überwinden, sondern nur | ||||||
27 | die sogenannte Trägheit, die sie bei aller Materie, wenn sie gleich gar nicht womit | ||||||
28 | zusammenhinge, überwinden müßte. Daher wird ein kleines mikroskopisches | ||||||
29 | Thierchen sich so leicht darin bewegen, als ob gar kein Zusammenhang zu trennen | ||||||
30 | wäre. Denn es hat wirklich keinen Zusammenhang des Wassers aufzuheben und | ||||||
31 | die Berührung desselben unter sich zu vermindern, sondern nur zu verändern. | ||||||
32 | Denket euch aber eben dieses Thierchen, als ob es sich durch die äußere Oberfläche | ||||||
33 | des Tropfens durcharbeiten wollte, so ist erstlich zu merken, daß die wechselseitige | ||||||
34 | Anziehung der Theile dieses Wasserklümpchens es macht, daß sie sich so lange bewegen, | ||||||
35 | bis sie in die größte Berührung untereinander, mithin in die kleinste Berührung | ||||||
36 | mit dem leeren Raum gekommen sind, d. i. eine Kugelgestalt gebildet | ||||||
37 | haben. Wenn nun das genannte Insect sich über die Oberfläche des Tropfens | ||||||
38 | hinaus zu arbeiten bestrebt ist, so muß es die Kugelgestalt verändern, folglich | ||||||
39 | mehr Berührung des Wassers mit dem leeren Raum und also auch weniger Berührung | ||||||
40 | der Theile desselben untereinander bewirken, d. i. ihren Zusammenhang | ||||||
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