Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 493

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Raum und mit ihm der Punkt F die Linie Ff=NA ; während daß der      
  02 Körper endlich die ganze Linie AC durchläuft, so beschreibt der relative      
  03 Raum und mit ihm der Punkt C die Linie Cc=BA ; welches alles eben      
  04 dasselbe ist, als ob der Körper A in diesen drei Zeittheilen die Linien Em      
  05 Fn und CD=AM AN AB und in der ganzen Zeit, darin er AC durchläuft,      
  06 die Linie CD=AB durchlaufen hätte. Also ist er im letzten Augenblicke      
  07 im Punkte D und in dieser ganzen Zeit nach und nach in allen      
  08 Punkten der Diagonallinie AD welche also sowohl die Richtung, als Geschwindigkeit      
  09 der zusammengesetzten Bewegung ausdrückt.      
           
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Anmerkung 1.
     
           
  11 Die geometrische Construction erfordert, daß eine Größe mit der andern,      
  12 oder zwei Größen in der Zusammensetzung mit einer dritten einerlei seien, nicht      
  13 daß sie als Ursachen die dritte hervorbringen, welches die mechanische Construction      
  14 sein würde. Die völlige Ähnlichkeit und Gleichheit, so fern sie nur in der Anschauung      
  15 erkannt werden kann, ist die Congruenz. Alle geometrische Construction      
  16 der völligen Identität beruht auf Congruenz. Diese Congruenz zweier zusammenverbundenen      
  17 Bewegungen mit einer dritten (als dem motu composito selbst)      
  18 kann nun niemals Statt haben, wenn jene beide in einem und demselben Raume,      
  19 z. B. dem relativen, vorgestellt werden. Daher sind alle Versuche, obigen Lehrsatz      
  20 in seinen drei Fällen zu beweisen, immer nur mechanische Auflösungen gewesen,      
  21 da man nämlich bewegende Ursachen, durch die eine gegebene Bewegung mit einer      
  22 andern verbunden, eine dritte hervorbringen ließ, nicht aber Beweise, daß jene mit      
  23 dieser einerlei sind und sich als solche in der reinen Anschauung a priori darstellen      
  24 lassen.      
           
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Anmerkung 2.
     
           
  26 Wenn z.B. eine Geschwindigkeit AC doppelt genannt wird: so kann darunter      
  27 nichts anders verstanden werden, als daß sie aus zwei einfachen und gleichen AB      
  28 und BC (siehe Fig. 1) bestehe. Erklärt man aber eine doppelte Geschwindigkeit      
  29 dadurch, daß man sagt, sie sei eine Bewegung, dadurch in derselben Zeit ein      
  30 doppelt so großer Raum zurückgelegt wird, so wird hier etwas angenommen, was      
  31 sich nicht von selbst versteht, nämlich: daß sich zwei gleiche Geschwindigkeiten eben      
  32 so verbinden lassen, als zwei gleiche Räume, und es ist nicht für sich klar, daß eine      
  33 gegebene Geschwindigkeit aus kleinern und eine Schnelligkeit aus Langsamkeiten      
  34 eben so bestehe, wie ein Raum aus kleineren; denn die Theile der Geschwindigkeit      
  35 sind nicht außerhalb einander, wie die Theile des Raumes, und wenn jene als      
  36 Größe betrachtet werden soll, so muß der Begriff ihrer Größe, da sie intensiv      
  37 ist, auf andere Art construirt werden, als der der extensiven Größe des Raumes.      
           
     

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