Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 494 |
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01 | Diese Construction ist aber auf keine andere Art möglich, als durch die | ||||||
02 | mittelbare Zusammensetzung zweier gleichen Bewegungen, deren eine die des | ||||||
03 | Körpers, die andere des relativen Raumes in entgegengesetzter Richtung, aber | ||||||
04 | eben darum mit einer ihr gleichen Bewegung des Körpers in der vorigen Richtung | ||||||
05 | völlig einerlei ist. Denn in derselben Richtung lassen sich zwei gleiche Geschwindigkeiten | ||||||
06 | in einem Körper gar nicht zusammensetzen, als nur durch äußere | ||||||
07 | bewegende Ursachen, z. B. ein Schiff, welches den Körper mit einer dieser Geschwindigkeiten | ||||||
08 | trägt, indessen daß eine andere, mit dem Schiffe unbeweglich verbundene | ||||||
09 | bewegende Kraft dem Körper die zweite, der vorigen gleiche Geschwindigkeit | ||||||
10 | eindrückt; wobei doch immer vorausgesetzt werden muß: daß der Körper sich | ||||||
11 | mit der ersten Geschwindigkeit in freier Bewegung erhalte, indem die zweite hinzukommt; | ||||||
12 | welches ein Naturgesetz bewegender Kräfte ist, wovon gar nicht die | ||||||
13 | Rede sein kann, wenn die Frage lediglich ist, wie der Begriff der Geschwindigkeit | ||||||
14 | als einer Größe construirt werde. So viel von der Hinzuthuung der Geschwindigkeiten | ||||||
15 | zu einander. Wenn aber von der Abziehung einer von der anderen die | ||||||
16 | Rede ist, so läßt sich zwar diese letztere leicht denken, wenn einmal die Möglichkeit | ||||||
17 | einer Geschwindigkeit als Größe durch Hinzuthuung eingeräumt worden, aber | ||||||
18 | jener Begriff läßt sich nicht so leicht construiren. Denn zu dem Ende müssen | ||||||
19 | zwei entgegengesetzte Bewegungen in einem Körper verbunden werden; aber wie | ||||||
20 | soll dieses geschehen? Unmittelbar, d. i. in Ansehung eben desselben ruhenden Raumes, | ||||||
21 | ist es unmöglich, sich zwei gleiche Bewegungen in entgegengesetzter Richtung | ||||||
22 | an demselben Körper zu denken; aber die Vorstellung der Unmöglichkeit | ||||||
23 | dieser beiden Bewegungen in einem Körper ist nicht der Begriff von der Ruhe desselben, | ||||||
24 | sondern der Unmöglichkeit der Construction dieser Zusammensetzung | ||||||
25 | entgegengesetzter Bewegungen, die doch im Lehrsatz als möglich angenommen | ||||||
26 | wird. Diese Construction ist aber nicht anders möglich, als durch die Verbindung | ||||||
27 | der Bewegung des Körpers mit der Bewegung des Raums, wie gewiesen | ||||||
28 | worden. Endlich, was die Zusammensetzung zweier Bewegungen, deren Richtung | ||||||
29 | einen Winkel einschließt, betrifft, so läßt sie sich an dem Körper in Beziehung auf | ||||||
30 | einen und denselben Raum gleichfalls nicht denken, wenn man nicht gar eine derselben | ||||||
31 | durch äußere, continuirlich einfließende Kraft (z. E. ein den Körper forttragendes | ||||||
32 | Fahrzeug) gewirkt, die andern als sich selbst hiebei unverändert erhaltend | ||||||
33 | annimmt, oder überhaupt, man muß bewegende Kräfte und Erzeugung | ||||||
34 | einer dritten Bewegung aus zwei vereinigten Kräften zum Grunde legen, welches | ||||||
35 | zwar die mechanische Ausführung dessen, was ein Begriff enthält, aber | ||||||
36 | nicht die mathematische Construction derselben ist, die nur anschaulich | ||||||
37 | machen soll, was das Object (als Quantum) sei, nicht wie es durch Natur oder | ||||||
38 | Kunst vermittelst gewisser Werkzeuge und Kräfte hervorgebracht werden könne. | ||||||
39 | - Die Zusammensetzung der Bewegungen, um ihr Verhältniß zu andern als | ||||||
40 | Größe zu bestimmen, muß nach den Regeln der Congruenz geschehen, welches in | ||||||
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