Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 426 |
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01 | als gar nichts, doch niemals Grundsätze abgeben können, die die Vernunft | ||||||
02 | dictirt, und die durchaus völlig a priori ihren Quell und hiemit zugleich | ||||||
03 | ihr gebietendes Ansehen haben müssen: nichts von der Neigung des | ||||||
04 | Menschen, sondern alles von der Obergewalt des Gesetzes und der schuldigen | ||||||
05 | Achtung für dasselbe zu erwarten, oder den Menschen widrigenfalls | ||||||
06 | zur Selbstverachtung und innern Abscheu zu verurtheilen. | ||||||
07 | Alles also, was empirisch ist, ist als Zuthat zum Princip der Sittlichkeit | ||||||
08 | nicht allein dazu ganz untauglich, sondern der Lauterkeit der Sitten | ||||||
09 | selbst höchst nachtheilig, an welchen der eigentliche und über allen Preis | ||||||
10 | erhabene Werth eines schlechterdings guten Willens eben darin besteht, | ||||||
11 | daß das Princip der Handlung von allen Einflüssen zufälliger Gründe, | ||||||
12 | die nur Erfahrung an die Hand geben kann, frei sei. Wider diese Nachlässigkeit | ||||||
13 | oder gar niedrige Denkungsart in Aufsuchung des Princips unter | ||||||
14 | empirischen Bewegursachen und Gesetzen kann man auch nicht zu viel und | ||||||
15 | zu oft Warnungen ergehen lassen, indem die menschliche Vernunft in ihrer | ||||||
16 | Ermüdung gern auf diesem Polster ausruht und in dem Traume süßer | ||||||
17 | Vorspiegelungen (die sie doch statt der Juno eine Wolke umarmen lassen) | ||||||
18 | der Sittlichkeit einen aus Gliedern ganz verschiedener Abstammung zusammengeflickten | ||||||
19 | Bastard unterschiebt, der allem ähnlich sieht, was man | ||||||
20 | daran sehen will, nur der Tugend nicht für den, der sie einmal in ihrer | ||||||
21 | wahren Gestalt erblickt hat.*) | ||||||
22 | Die Frage ist also diese: ist es ein nothwendiges Gesetz für alle | ||||||
23 | vernünftige Wesen, ihre Handlungen jederzeit nach solchen Maximen | ||||||
24 | zu beurtheilen, von denen sie selbst wollen können, daß sie zu allgemeinen | ||||||
25 | Gesetzen dienen sollen? Wenn es ein solches ist, so muß es (völlig a priori) | ||||||
26 | schon mit dem Begriffe des Willens eines vernünftigen Wesens überhaupt | ||||||
27 | verbunden sein. Um aber diese Verknüpfung zu entdecken, muß man, | ||||||
28 | so sehr man sich auch sträubt, einen Schritt hinaus thun, nämlich zur Metaphysik, | ||||||
29 | obgleich in ein Gebiet derselben, welches von dem der speculativen | ||||||
30 | Philosophie unterschieden ist, nämlich in die Metaphysik der Sitten. | ||||||
*) Die Tugend in ihrer eigentlichen Gestalt erblicken, ist nichts anders, als die Sittlichkeit von aller Beimischung des Sinnlichen und allem unächten Schmuck des Lohns oder der Selbstliebe entkleidet darzustellen. Wie sehr sie alsdann alles übrige, was den Neigungen reizend erscheint, verdunkele, kann jeder vermittelst des mindesten Versuchs seiner nicht ganz für alle Abstraction verdorbenen Vernunft leicht inne werden. | |||||||
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