Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 425

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Wir haben so viel also wenigstens dargethan, daß, wenn Pflicht ein      
  02 Begriff ist, der Bedeutung und wirkliche Gesetzgebung für unsere Handlungen      
  03 enthalten soll, diese nur in kategorischen Imperativen, keinesweges      
  04 aber in hypothetischen ausgedrückt werden könne; imgleichen haben wir,      
  05 welches schon viel ist, den Inhalt des kategorischen Imperativs, der das      
  06 Princip aller Pflicht (wenn es überhaupt dergleichen gäbe) enthalten      
  07 müßte, deutlich und zu jedem Gebrauche bestimmt dargestellt. Noch sind      
  08 wir aber nicht so weit, a priori zu beweisen, daß dergleichen Imperativ      
  09 wirklich stattfinde, daß es ein praktisches Gesetz gebe, welches schlechterdings      
  10 und ohne alle Triebfedern für sich gebietet, und daß die Befolgung      
  11 dieses Gesetzes Pflicht sei.      
           
  12 Bei der Absicht, dazu zu gelangen, ist es von der äußersten Wichtigkeit,      
  13 sich dieses zur Warnung dienen zu lassen, daß man es sich ja nicht in      
  14 den Sinn kommen lasse, die Realität dieses Princips aus der besondern      
  15 Eigenschaft der menschlichen Natur ableiten zu wollen. Denn      
  16 Pflicht soll praktisch=unbedingte Nothwendigkeit der Handlung sein; sie      
  17 muß also für alle vernünftige Wesen (auf die nur überall ein Imperativ      
  18 treffen kann) gelten und allein darum auch für allen menschlichen Willen      
  19 ein Gesetz sein. Was dagegen aus der besondern Naturanlage der      
  20 Menschheit, was aus gewissen Gefühlen und Hange, ja sogar wo möglich      
  21 aus einer besonderen Richtung, die der menschlichen Vernunft eigen wäre      
  22 und nicht nothwendig für den Willen eines jeden vernünftigen Wesens      
  23 gelten müßte, abgeleitet wird, das kann zwar eine Maxime für uns, aber      
  24 kein Gesetz abgeben, ein subjectiv Princip, nach welchem wir handeln zu      
  25 dürfen Hang und Neigung haben, aber nicht ein objectives, nach welchem      
  26 wir angewiesen wären zu handeln, wenn gleich aller unser Hang, Neigung      
  27 und Natureinrichtung dawider wäre, sogar, daß es um desto mehr      
  28 die Erhabenheit und innere Würde des Gebots in einer Pflicht beweiset,      
  29 je weniger die subjectiven Ursachen dafür, je mehr sie dagegen sind, ohne      
  30 doch deswegen die Nöthigung durchs Gesetz nur im mindesten zu schwächen      
  31 und seiner Gültigkeit etwas zu benehmen.      
           
  32 Hier sehen wir nun die Philosophie in der That auf einen mißlichen      
  33 Standpunkt gestellt, der fest sein soll, unerachtet er weder im Himmel, noch      
  34 auf der Erde an etwas gehängt oder woran gestützt wird. Hier soll sie ihre      
  35 Lauterkeit beweisen als Selbsthalterin ihrer Gesetze, nicht als Herold derjenigen,      
  36 welche ihr ein eingepflanzter Sinn, oder wer weiß welche vormundschaftliche      
  37 Natur einflüstert, die insgesammt, sie mögen immer besser sein      
           
     

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