Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 390

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 priori in unserer Vernunft liegenden praktischen Grundsätze zu erforschen,      
  02 sondern weil die Sitten selber allerlei Verderbniß unterworfen bleiben, so      
  03 lange jener Leitfaden und oberste Norm ihrer richtigen Beurtheilung fehlt.      
  04 Denn bei dem, was moralisch gut sein soll, ist es nicht genug, daß es dem      
  05 sittlichen Gesetze gemäß sei, sondern es muß auch um desselben willen      
  06 geschehen; widrigenfalls ist jene Gemäßheit nur sehr zufällig und mißlich,      
  07 weil der unsittliche Grund zwar dann und wann gesetzmäßige, mehrmals      
  08 aber gesetzwidrige Handlungen hervorbringen wird. Nun ist aber das sittliche      
  09 Gesetz in seiner Reinigkeit und Ächtheit (woran eben im Praktischen      
  10 am meisten gelegen ist) nirgend anders, als in einer reinen Philosophie      
  11 zu suchen, also muß diese (Metaphysik) vorangehen, und ohne sie kann es      
  12 überall keine Moralphilosophie geben; selbst verdient diejenige, welche jene      
  13 reine Principien unter die empirischen mischt, den Namen einer Philosophie      
  14 nicht (denn dadurch unterscheidet diese sich eben von der gemeinen      
  15 Vernunfterkenntniß, daß sie, was diese nur vermengt begreift, in abgesonderter      
  16 Wissenschaft vorträgt), viel weniger einer Moralphilosophie, weil      
  17 sie eben durch diese Vermengung sogar der Reinigkeit der Sitten selbst      
  18 Abbruch thut und ihrem eigenen Zwecke zuwider verfährt.      
           
  19 Man denke doch ja nicht, daß man das, was hier gefordert wird, schon      
  20 an der Propädeutik des berühmten Wolff vor seiner Moralphilosophie,      
  21 nämlich der von ihm so genannten allgemeinen praktischen Weltweisheit,      
  22 habe, und hier also nicht eben ein ganz neues Feld einzuschlagen      
  23 sei. Eben darum, weil sie eine allgemeine praktische Weltweisheit sein      
  24 sollte, hat sie keinen Willen von irgend einer besondern Art, etwa einen      
  25 solchen, der ohne alle empirische Bewegungsgründe, völlig aus Principien      
  26 a priori bestimmt werde, und den man einen reinen Willen nennen könnte,      
  27 sondern das Wollen überhaupt in Betrachtung gezogen mit allen Handlungen      
  28 und Bedingungen, die ihm in dieser allgemeinen Bedeutung zukommen,      
  29 und dadurch unterscheidet sie sich von einer Metaphysik der Sitten,      
  30 eben so wie die allgemeine Logik von der Transscendentalphilosophie, von      
  31 denen die erstere die Handlungen und Regeln des Denkens überhaupt,      
  32 diese aber bloß die besondern Handlungen und Regeln des reinen Denkens,      
  33 d.i. desjenigen, wodurch Gegenstände völlig a priori erkannt werden,      
  34 vorträgt. Denn die Metaphysik der Sitten soll die Idee und die Principien      
  35 eines möglichen reinen Willens untersuchen und nicht die Handlungen      
  36 und Bedingungen des menschlichen Wollens überhaupt, welche größtentheils      
  37 aus der Psychologie geschöpft werden. Daß in der allgemeinen      
           
     

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