Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 389 |
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01 | könne, und aus welchen Quellen sie selbst diese ihre Belehrung a priori | ||||||
02 | schöpfe, es mag übrigens das letztere Geschäfte von allen Sittenlehrern | ||||||
03 | (deren Namen Legion heißt) oder nur von einigen, die Beruf dazu fühlen, | ||||||
04 | getrieben werden. | ||||||
05 | Da meine Absicht hier eigentlich auf die sittliche Weltweisheit gerichtet | ||||||
06 | ist, so schränke ich die vorgelegte Frage nur darauf ein: ob man | ||||||
07 | nicht meine, daß es von der äußersten Nothwendigkeit sei, einmal eine | ||||||
08 | reine Moralphilosophie zu bearbeiten, die von allem, was nur empirisch | ||||||
09 | sein mag und zur Anthropologie gehört, völlig gesäubert wäre; denn daß | ||||||
10 | es eine solche geben müsse, leuchtet von selbst aus der gemeinen Idee der | ||||||
11 | Pflicht und der sittlichen Gesetze ein. Jedermann muß eingestehen, daß | ||||||
12 | ein Gesetz, wenn es moralisch, d. i. als Grund einer Verbindlichkeit, gelten | ||||||
13 | soll, absolute Nothwendigkeit bei sich führen müsse; daß das Gebot: du | ||||||
14 | sollst nicht lügen, nicht etwa bloß für Menschen gelte, andere vernünftige | ||||||
15 | Wesen sich aber daran nicht zu kehren hätten, und so alle übrige eigentliche | ||||||
16 | Sittengesetze; daß mithin der Grund der Verbindlichkeit hier nicht in der | ||||||
17 | Natur des Menschen, oder den Umständen in der Welt, darin er gesetzt ist, | ||||||
18 | gesucht werden müsse, sondern a priori lediglich in Begriffen der reinen | ||||||
19 | Vernunft, und daß jede andere Vorschrift, die sich auf Principien der | ||||||
20 | bloßen Erfahrung gründet, und sogar eine in gewissem Betracht allgemeine | ||||||
21 | Vorschrift, so fern sie sich dem mindesten Theile, vielleicht nur einem | ||||||
22 | Bewegungsgrunde nach auf empirische Gründe stützt, zwar eine praktische | ||||||
23 | Regel, niemals aber ein moralisches Gesetz heißen kann. | ||||||
24 | Also unterscheiden sich die moralischen Gesetze sammt ihren Principien | ||||||
25 | unter allem praktischen Erkenntnisse von allem übrigen, darin irgend etwas | ||||||
26 | Empirisches ist, nicht allein wesentlich, sondern alle Moralphilosophie beruht | ||||||
27 | gänzlich auf ihrem reinen Theil, und auf den Menschen angewandt, | ||||||
28 | entlehnt sie nicht das mindeste von der Kenntniß desselben (Anthropologie), | ||||||
29 | sondern giebt ihm, als vernünftigem Wesen, Gesetze a priori, die freilich | ||||||
30 | noch durch Erfahrung geschärfte Urtheilskraft erfordern, um theils zu | ||||||
31 | unterscheiden, in welchen Fällen sie ihre Anwendung haben, theils ihnen | ||||||
32 | Eingang in den Willen des Menschen und Nachdruck zur Ausübung zu | ||||||
33 | verschaffen, da dieser, als selbst mit so viel Neigungen afficirt, der Idee | ||||||
34 | einer praktischen reinen Vernunft zwar fähig, aber nicht so leicht vermögend | ||||||
35 | ist, sie in seinem Lebenswandel in concreto wirksam zu machen. | ||||||
36 | Eine Metaphysik der Sitten ist also unentbehrlich nothwendig, nicht | ||||||
37 | bloß aus einem Bewegungsgrunde der Speculation, um die Quelle der a | ||||||
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