Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 376 |
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01 | Manier, die klüglich gewählt ist, weil man dabei sein eigen Wissen oder | ||||||
02 | Nichtwissen nicht verräth: ein einziges ausführliches Urtheil en detail | ||||||
03 | würde, wenn es wie billig die Hauptfrage betroffen hätte, vielleicht meinen | ||||||
04 | Irrthum, vielleicht auch das Maß der Einsicht des Recensenten in | ||||||
05 | dieser Art von Untersuchungen aufgedeckt haben. Es war auch kein übelausgedachter | ||||||
06 | Kunstgriff, um Lesern, welche sich nur aus Zeitungsnachrichten | ||||||
07 | von Büchern einen Begriff zu machen gewohnt sind, die Lust zum | ||||||
08 | Lesen des Buchs selbst frühzeitig zu benehmen, eine Menge von Sätzen, | ||||||
09 | die, außer dem Zusammenhange mit ihren Beweisgründen und Erläuterungen | ||||||
10 | gerissen (vornehmlich so antipodisch, wie diese in Ansehung aller | ||||||
11 | Schulmetaphysik sind) nothwendig widersinnisch lauten müssen, in einem | ||||||
12 | Athem hinter einander her zu sagen, die Geduld des Lesers bis zum Ekel | ||||||
13 | zu bestürmen und dann, nachdem man mich mit dem sinnreichen Satze, | ||||||
14 | daß beständiger Schein Wahrheit sei, bekannt gemacht hat, mit der derben, | ||||||
15 | doch väterlichen Lection zu schließen: wozu denn der Streit wider die gemein | ||||||
16 | angenommene Sprache, wozu denn und woher die idealistische Unterscheidung? | ||||||
17 | Ein Urtheil, welches alles Eigenthümliche meines Buchs, | ||||||
18 | da es vorher metaphysisch=ketzerisch sein sollte, zuletzt in einer bloßen | ||||||
19 | Sprachneuerung setzt und klar beweist, daß mein angemaßter Richter auch | ||||||
20 | nicht das mindeste davon und obenein sich selbst nicht recht verstanden | ||||||
21 | habe.*) | ||||||
22 | Recensent spricht indessen wie ein Mann, der sich wichtiger und vorzüglicher | ||||||
23 | Einsichten bewußt sein muß, die er aber noch verborgen hält; | ||||||
24 | denn mir ist in Ansehung der Metaphysik neuerlich nichts bekannt geworden, | ||||||
25 | was zu einem solchen Tone berechtigen könnte. Daran thut er aber | ||||||
26 | sehr unrecht, daß er der Welt seine Entdeckungen vorenthält; denn es geht | ||||||
27 | ohne Zweifel noch mehreren so wie mir, daß sie bei allem Schönen, was | ||||||
28 | seit langer Zeit in diesem Fache geschrieben worden, doch nicht finden | ||||||
*) Der Recensent schlägt sich mehrentheils mit seinem eigenen Schatten. Wenn ich die Wahrheit der Erfahrung dem Traum entgegensetze, so denkt er gar nicht daran, daß hier nur von dem bekannten somnio objective sumto der Wolffischen Philosophie die Rede sei, der blos formal ist, und wobei es auf den Unterschied des Schlafens und Wachens gar nicht angesehen ist und in einer Transscendentalphilosophie auch nicht gesehen werden kann. Übrigens nennt er meine Deduction der Kategorien und die Tafel der Verstandesgrundsätze: "gemein bekannte Grundsätze der Logik und Ontologie, auf idealistische Art ausgedrückt." Der Leser darf nur darüber diese Prolegomenen nachsehen, um sich zu überzeugen, daß ein elenderes und selbst historisch unrichtigeres Urtheil gar nicht könne gefällt werden. | |||||||
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