Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 367

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ob aber gleich die Zeit des Verfalls aller dogmatischen Metaphysik      
  02 ungezweifelt da ist, so fehlt doch noch manches dran, um sagen zu können,      
  03 daß die Zeit ihrer Wiedergeburt vermittelst einer gründlichen und vollendeten      
  04 Kritik der Vernunft dagegen schon erschienen sei. Alle Übergänge      
  05 von einer Neigung zu der ihr entgegengesetzten gehen durch den Zustand      
  06 der Gleichgültigkeit, und dieser Zeitpunkt ist der gefährlichste für einen      
  07 Verfasser, aber, wie mich dünkt, doch der günstigste für die Wissenschaft.      
  08 Denn wenn durch gänzliche Trennung vormaliger Verbindungen der Parteigeist      
  09 erloschen ist, so sind die Gemüther in der besten Verfassung, um      
  10 allmählig Vorschläge zur Verbindung nach einem anderen Plane anzuhören.      
           
  12 Wenn ich sage, daß ich von diesen Prolegomenen hoffe, sie werden      
  13 die Nachforschung im Felde der Kritik vielleicht rege machen und dem allgemeinen      
  14 Geiste der Philosophie, dem es im speculativen Theile an Nahrung      
  15 zu fehlen scheint, einen neuen und viel versprechenden Gegenstand      
  16 der Unterhaltung darreichen, so kann ich mir schon zum voraus vorstellen:      
  17 daß jedermann, den die dornichten Wege, die ich ihn in der Kritik geführt      
  18 habe, unwillig und überdrüssig gemacht haben, mich fragen werde, worauf      
  19 ich wohl diese Hoffnung gründe. Ich antworte: auf das unwiderstehliche      
  20 Gesetz der Nothwendigkeit.      
           
  21 Daß der Geist des Menschen metaphysische Untersuchungen einmal      
  22 gänzlich aufgeben werde, ist eben so wenig zu erwarten, als daß wir, um      
  23 nicht immer unreine Luft zu schöpfen, das Athemholen einmal lieber ganz      
  24 und gar einstellen würden. Es wird also in der Welt jederzeit, und was      
  25 noch mehr, bei jedem, vornehmlich dem nachdenkenden Menschen Metaphysik      
  26 sein, die in Ermangelung eines öffentlichen Richtmaßes jeder sich      
  27 nach seiner Art zuschneiden wird. Nun kann das, was bis daher Metaphysik      
  28 geheißen hat, keinem prüfenden Kopfe ein Gnüge thun, ihr aber      
  29 gänzlich zu entsagen, ist doch auch unmöglich: also muß endlich eine Kritik      
  30 der reinen Vernunft selbst versucht, oder, wenn eine da ist, untersucht      
  31 und in allgemeine Prüfung gezogen werden, weil es sonst kein Mittel      
  32 giebt, diesem dringenden Bedürfniß, welches noch etwas mehr als bloße      
  33 Wißbegierde ist, abzuhelfen.      
           
  34 Seitdem ich Kritik kenne, habe ich am Ende des Durchlesens einer      
  35 Schrift metaphysischen Inhalts, die mich durch Bestimmung ihrer Begriffe,      
  36 durch Mannigfaltigkeit und Ordnung und einen leichten Vortrag      
  37 sowohl unterhielt, als auch cultivirte, mich nicht entbrechen können, zu      
           
     

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