Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 335 |
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Text (Kant):
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01 | Die Beharrlichkeit kann aber niemals aus dem Begriffe einer Substanz | ||||||
02 | als eines Dinges an sich, sondern nur zum Behuf der Erfahrung | ||||||
03 | bewiesen werden. Dieses ist bei der ersten Analogie der Erfahrung hinreichend | ||||||
04 | dargethan worden (Kritik s. 182); und will man sich diesem | ||||||
05 | Beweise nicht ergeben, so darf man nur den Versuch selbst anstellen, ob es | ||||||
06 | gelingen werde, aus dem Begriffe eines Subjects, was selbst nicht als | ||||||
07 | Prädicat eines andern Dinges existirt, zu beweisen, daß sein Dasein durchaus | ||||||
08 | beharrlich sei, und daß es weder an sich selbst, noch durch irgend eine | ||||||
09 | Naturursache entstehen oder vergehen könne. Dergleichen synthetische Sätze | ||||||
10 | a priori können niemals an sich selbst, sondern jederzeit nur in Beziehung | ||||||
11 | auf Dinge als Gegenstände einer möglichen Erfahrung bewiesen werden. | ||||||
12 | § 48. |
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13 | Wenn wir also aus dem Begriffe der Seele als Substanz auf Beharrlichkeit | ||||||
14 | derselben schließen wollen, so kann dieses von ihr doch nur zum Behuf | ||||||
15 | möglicher Erfahrung und nicht von ihr als einem Dinge an sich selbst | ||||||
16 | und über alle mögliche Erfahrung hinaus gelten. Nun ist die subjective | ||||||
17 | Bedingung aller unserer möglichen Erfahrung das Leben: folglich kann | ||||||
18 | nur auf die Beharrlichkeit der Seele im Leben geschlossen werden, denn der | ||||||
19 | Tod des Menschen ist das Ende aller Erfahrung, was die Seele als einen | ||||||
20 | Gegenstand derselben betrifft, wofern nicht das Gegentheil dargethan wird, | ||||||
21 | als wovon eben die Frage ist. Also kann die Beharrlichkeit der Seele nur | ||||||
22 | im Leben des Menschen (deren Beweis man uns wohl schenken wird), aber | ||||||
23 | nicht nach dem Tode (als woran uns eigentlich gelegen ist) dargethan | ||||||
24 | werden und zwar aus dem allgemeinen Grunde, weil der Begriff der Substanz, | ||||||
25 | so fern er mit dem Begriff der Beharrlichkeit als nothwendig verbunden | ||||||
26 | angesehen werden soll, dieses nur nach einem Grundsatze möglicher | ||||||
27 | Erfahrung und also auch nur zum Behuf derselben sein kann.*) | ||||||
*) Es ist in der That sehr merkwürdig, daß die Metaphysiker jederzeit so sorglos über den Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanzen weggeschlüpft sind, ohne jemals einen Beweis davon zu versuchen; ohne Zweifel, weil sie sich, so bald sie es mit dem Begriffe Substanz anfingen, von allen Beweisthümern gänzlich verlassen sahen. Der gemeine Verstand, der gar wohl inne ward, daß ohne diese Voraussetzung keine Vereinigung der Wahrnehmungen in einer Erfahrung möglich sei, ersetzte [Seitenumbruch] diesen Mangel durch ein Postulat; denn aus der Erfahrung selbst konnte er diesen Grundsatz nimmermehr ziehen, theils weil sie die Materien (Substanzen) bei allen ihren Veränderungen und Auflösungen nicht so weit verfolgen kann, um den Stoff immer unvermindert anzutreffen, theils weil der Grundsatz Nothwendigkeit enthält, die jederzeit das Zeichen eines Princips a priori ist. Nun wandten sie diesen Grundsatz getrost auf den Begriff der Seele als einer Substanz an und schlossen auf eine nothwendige Fortdauer derselben nach dem Tode des Menschen (vornehmlich da die Einfachheit dieser Substanz, welche aus der Untheilbarkeit des Bewußtseins gefolgert ward, sie wegen des Unterganges durch Auflösung sicherte). Hätten sie die ächte Quelle dieses Grundsatzes gefunden, welches aber weit tiefere Untersuchungen erforderte, als sie jemals anzufangen Lust hatten, so würden sie gesehen haben: daß jenes Gesetz der Beharrlichkeit der Substanzen nur zum Behuf der Erfahrung stattfinde und daher nur auf Dinge, so fern sie in der Erfahrung erkannt und mit andern verbunden werden sollen, niemals aber von ihnen auch unangesehen aller möglichen Erfahrung, mithin auch nicht von der Seele nach dem Tode gelten könne. | |||||||
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