Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 334 |
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01 | Undurchdringlichkeit, die man sich immer nur als Wirkung einer Kraft | ||||||
02 | vorstellen muß, dazu uns das Subject fehlt. | ||||||
03 | Nun scheint es, als ob wir in dem Bewußtsein unserer selbst (dem | ||||||
04 | denkenden Subject) dieses Substantiale haben und zwar in einer unmittelbaren | ||||||
05 | Anschauung; denn alle Prädicate des innern Sinnes beziehen sich | ||||||
06 | auf das Ich als Subject, und dieses kann nicht weiter als Prädicat irgend | ||||||
07 | eines andern Subjects gedacht werden. Also scheint hier die Vollständigkeit | ||||||
08 | in der Beziehung der gegebenen Begriffe als Prädicate auf ein Subject | ||||||
09 | nicht blos Idee, sondern der Gegenstand, nämlich das absolute Subject | ||||||
10 | selbst, in der Erfahrung gegeben zu sein. Allein diese Erwartung | ||||||
11 | wird vereitelt. Denn das Ich ist gar kein Begriff*) sondern nur Bezeichnung | ||||||
12 | des Gegenstandes des innern Sinnes, so fern wir es durch kein Prädicat | ||||||
13 | weiter erkennen; mithin kann es zwar an sich kein Prädicat von einem | ||||||
14 | andern Dinge sein, aber eben so wenig auch ein bestimmter Begriff eines | ||||||
15 | absoluten Subjects, sondern nur wie in allen andern Fällen die Beziehung | ||||||
16 | der innern Erscheinungen auf das unbekannte Subject derselben. Gleichwohl | ||||||
17 | veranlaßt diese Idee (die gar wohl dazu dient, als regulatives Princip | ||||||
18 | alle materialistische Erklärungen der innern Erscheinungen unserer | ||||||
19 | Seele gänzlich zu vernichten)*) durch einen ganz natürlichen Mißverstand | ||||||
20 | ein sehr scheinbares Argument, um aus diesem vermeinten Erkenntniß von | ||||||
21 | dem Substantiale unseres denkenden Wesens seine Natur, so fern die Kenntni | ||||||
22 | derselben ganz außer dem Inbegriff der Erfahrung hinaus fällt, zu | ||||||
23 | schließen. | ||||||
24 | § 47. |
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25 | Dieses denkende Selbst (die Seele) mag nun aber auch als das letzte | ||||||
26 | Subject des Denkens, was selbst nicht weiter als Prädicat eines andern | ||||||
27 | Dinges vorgestellt werden kann, Substanz heißen: so bleibt dieser Begriff | ||||||
28 | doch gänzlich leer und ohne alle Folgen, wenn nicht von ihm die Beharrlichkeit | ||||||
29 | als das, was den Begriff der Substanzen in der Erfahrung fruchtbar | ||||||
30 | macht, bewiesen werden kann. | ||||||
*) Wäre die Vorstellung der Apperception, das Ich, ein Begriff, wodurch irgend etwas gedacht würde, so würde es auch als Prädicat von andern Dingen gebraucht werden können, oder solche Prädicate in sich enthalten. Nun ist es nichts mehr als Gefühl eines Daseins ohne den mindesten Begriff und nur Vorstellung desjenigen, worauf alles Denken in Beziehung ( relatione accidentis ) steht. | |||||||
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