Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 333 |
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01 | theils sogar (um sie zu vollenden) gänzlich außerhalb derselben Noumena | ||||||
02 | zu suchen, an welche sie jene Kette knüpfen und dadurch von Erfahrungsbedingungen | ||||||
03 | endlich einmal unabhängig, ihre Haltung gleichwohl vollständig | ||||||
04 | machen könne. Das sind nun die transscendentalen Ideen, welche, | ||||||
05 | sie mögen nun nach dem wahren, aber verborgenen Zwecke der Naturbestimmung | ||||||
06 | unserer Vernunft nicht auf überschwengliche Begriffe, sondern | ||||||
07 | blos auf unbegrenzte Erweiterung des Erfahrungsgebrauchs angelegt sein, | ||||||
08 | dennoch durch einen unvermeidlichen Schein dem Verstande einen transscendenten | ||||||
09 | Gebrauch ablocken, der, obzwar betrüglich, dennoch durch | ||||||
10 | keinen Vorsatz innerhalb der Grenzen der Erfahrung zu bleiben, sondern | ||||||
11 | nur durch wissenschaftliche Belehrung und mit Mühe in Schranken gebracht | ||||||
12 | werden kann. | ||||||
13 | § 46. |
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14 | I Psychologische Ideen. (Kritik Seite 341 u. f.) |
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15 | Man hat schon längst angemerkt, daß uns an allen Substanzen das | ||||||
16 | eigentliche Subject, nämlich das, was übrig bleibt, nachdem alle Accidenzen | ||||||
17 | (als Prädicate) abgesondert worden, mithin das Substantiale | ||||||
18 | selbst unbekannt sei, und über diese Schranken unsrer Einsicht vielfältig | ||||||
19 | Klagen geführt. Es ist aber hiebei wohl zu merken, daß der menschliche | ||||||
20 | Verstand darüber nicht in Anspruch zu nehmen sei, daß er das Substantiale | ||||||
21 | der Dinge nicht kennt, d. i. für sich allein bestimmen kann, sondern | ||||||
22 | vielmehr darüber, daß er es als eine bloße Idee gleich einem gegebenen | ||||||
23 | Gegenstande bestimmt zu erkennen verlangt. Die reine Vernunft fordert, | ||||||
24 | daß wir zu jedem Prädicate eines Dinges sein ihm zugehöriges Subject, | ||||||
25 | zu diesem aber, welches nothwendiger Weise wiederum nur Prädicat ist, | ||||||
26 | fernerhin sein Subject und so forthin ins Unendliche (oder so weit wir | ||||||
27 | reichen) suchen sollen. Aber hieraus folgt, daß wir nichts, wozu wir gelangen | ||||||
28 | können, für ein letztes Subject halten sollen, und daß das Substantiale | ||||||
29 | selbst niemals von unserm noch so tief eindringenden Verstande, | ||||||
30 | selbst wenn ihm die ganze Natur aufgedeckt wäre, gedacht werden könne: | ||||||
31 | weil die specifische Natur unseres Verstandes darin besteht, alles discursiv, | ||||||
32 | d. i. durch Begriffe, mithin auch durch lauter Prädicate zu denken, wozu | ||||||
33 | also das absolute Subject jederzeit fehlen muß. Daher sind alle reale | ||||||
34 | Eigenschaften, dadurch wir Körper erkennen, lauter Accidenzen, sogar die | ||||||
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