Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 316 |
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01 | noch ein viel weitläuftigeres Nebengebäude an, welches er mit | ||||||
02 | lauter Gedankenwesen anfüllt, ohne es einmal zu merken, daß er sich mit | ||||||
03 | seinen sonst richtigen Begriffen über die Grenzen ihres Gebrauchs verstiegen | ||||||
04 | habe. | ||||||
05 | § 34. |
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06 | Es waren also zwei wichtige, ja ganz unentbehrliche, obzwar äußerst | ||||||
07 | trockene Untersuchungen nöthig, welche Krit. Seite 137 etc. und 235 etc. | ||||||
08 | angestellt worden, durch deren erstere gezeigt wurde, daß die Sinne nicht | ||||||
09 | die reine Verstandesbegriffe in concreto , sondern nur das Schema zum | ||||||
10 | Gebrauche derselben an die Hand geben, und der ihm gemäße Gegenstand | ||||||
11 | nur in der Erfahrung (als dem Producte des Verstandes aus Materialien | ||||||
12 | der Sinnlichkeit) angetroffen werde. In der zweiten Untersuchung (krit. | ||||||
13 | S. 235) wird gezeigt: daß ungeachtet der Unabhängigkeit unsrer reinen | ||||||
14 | Verstandesbegriffe und Grundsätze von Erfahrung, ja selbst ihrem scheinbarlich | ||||||
15 | größeren Umfange des Gebrauchs dennoch durch dieselbe außer | ||||||
16 | dem Felde der Erfahrung gar nichts gedacht werden könne, weil sie nichts | ||||||
17 | thun können, als blos die logische Form des Urtheils in Ansehung gegebener | ||||||
18 | Anschauungen bestimmen; da es aber über das Feld der Sinnlichkeit | ||||||
19 | hinaus ganz und gar keine Anschauung giebt, jenen reinen Begriffen | ||||||
20 | es ganz und gar an Bedeutung fehle, indem sie durch kein Mittel in concreto | ||||||
21 | können dargestellt werden, folglich alle solche Noumena zusammt dem | ||||||
22 | Inbegriff derselben, einer intelligibeln )* Welt, nichts als Vorstellungen | ||||||
23 | einer Aufgabe sind, deren Gegenstand an sich wohl möglich, deren Auflösung | ||||||
24 | aber nach der Natur unseres Verstandes gänzlich unmöglich ist, indem | ||||||
25 | unser Verstand kein Vermögen der Anschauung, sondern blos der | ||||||
26 | Verknüpfung gegebener Anschauungen in einer Erfahrung ist, und daß |
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*) Nicht (wie man sich gemeiniglich ausdrückt) intellectuellen Welt. Denn intellectuell sind die Erkenntnisse durch den Verstand, und dergleichen gehen auch auf unsere Sinnenwelt; intelligibel aber heißen Gegenstände, so fern sie blos durch den Verstand vorgestellt werden können und auf die keine unserer sinnlichen Anschauungen gehen kann. Da aber doch jedem Gegenstande irgend eine mögliche Anschauung entsprechen muß, so würde man sich einen Verstand denken müssen, der unmittelbar Dinge anschauete; von einem solchen aber haben wir nicht den mindesten Begriff, mithin auch nicht von den Verstandeswesen, auf die er gehen soll. | |||||||
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