Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 272

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 blos seine abgesonderte Vernunft, die durch gemeine Erfahrung in gewisser      
  02 Maße schon geübt war, weil Vernunft uns doch immer gegenwärtig      
  03 ist, Naturgesetze aber gemeiniglich mühsam aufgesucht werden müssen:      
  04 und so schwamm Metaphysik oben auf wie Schaum, doch so, daß so wie      
  05 der, den man geschöpft hatte, zerging, sich sogleich ein anderer auf der Oberfläche      
  06 zeigte, den immer einige begierig aufsammleten, wobei andere, anstatt      
  07 in der Tiefe die Ursache dieser Erscheinung zu suchen, sich damit weise      
  08 dünkten, daß sie die vergebliche Mühe der erstern belachten.      
           
  09 Das Wesentliche und Unterscheidende der reinen mathematischen      
  10 Erkenntniß von aller andern Erkenntniß a priori ist, daß sie durchaus      
  11 nicht aus Begriffen, sondern jederzeit nur durch die Construction der      
  12 Begriffe (Kritik S. 713) vor sich gehen muß. Da sie also in ihren Sätzen      
  13 über den Begriff zu demjenigen, was die ihm correspondirende Anschauung      
  14 enthält, hinausgehen muß: so können und sollen ihre Sätze auch niemals      
  15 durch Zergliederung der Begriffe, d. i. analytisch, entspringen und      
  16 sind daher insgesammt synthetisch.      
           
  17 Ich kann aber nicht umhin, den Nachtheil zu bemerken, den die Vernachlässigung      
  18 dieser sonst leichten und unbedeutend scheinenden Beobachtung      
  19 der Philosophie zugezogen hat. Hume, als er den eines Philosophen      
  20 würdigen Beruf fühlte, seine Blicke auf das ganze Feld der reinen      
  21 Erkenntniß a priori zu werfen, in welchem sich der menschliche Verstand      
  22 so große Besitzungen anmaßt, schnitt unbedachtsamer Weise eine ganze      
  23 und zwar die erheblichste Provinz derselben, nämlich reine Mathematik,      
  24 davon ab in der Einbildung, ihre Natur und so zu reden ihre Staatsverfassung      
  25 beruhe auf ganz andern Principien, nämlich lediglich auf dem      
  26 Satze des Widerspruchs; und ob er zwar die Eintheilung der Sätze nicht      
  27 so förmlich und allgemein oder unter der Benennung gemacht hatte, als      
  28 es von mir hier geschieht, so war es doch gerade so viel, als ob er gesagt      
  29 hätte: reine Mathematik enthält blos analytische Sätze, Metaphysik aber      
  30 synthetische a priori. Nun irrte er hierin gar sehr, und dieser Irrthum      
  31 hatte auf seinen ganzen Begriff entscheidend nachtheilige Folgen. Denn      
  32 wäre das von ihm nicht geschehen, so hätte er seine Frage wegen des Ursprungs      
  33 unserer synthetischen Urtheile weit über seinen metaphysischen Begriff      
  34 der Causalität erweitert und sie auch auf die Möglichkeit der Mathematik      
  35 a priori ausgedehnt; denn diese mußte er eben sowohl für synthetisch      
           
     

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