Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 186 |
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| 01 | übrig, welche zwar eine bloße logische Form ohne Inhalt ist, uns | ||||||
| 02 | aber dennoch eine Art zu sein scheint, wie das Object an sich existire (noumenon), | ||||||
| 03 | ohne auf die Anschauung zu sehen, welche auf unsere Sinne eingeschränkt | ||||||
| 04 | ist. | ||||||
| 05 | Ehe wir die transscendentale Analytik verlassen, müssen wir noch | ||||||
| 06 | etwas hinzufügen, was, obgleich an sich von nicht sonderlicher Erheblichkeit, | ||||||
| 07 | dennoch zur Vollständigkeit des Systems erforderlich scheinen dürfte. | ||||||
| 08 | Der höchste Begriff, von dem man eine Transscendentalphilosophie anzufangen | ||||||
| 09 | pflegt, ist gemeiniglich die Eintheilung in das Mögliche und Unmögliche. | ||||||
| 10 | Da aber alle Eintheilung einen eingetheilten Begriff voraussetzt, | ||||||
| 11 | so muß noch ein höherer angegeben werden, und dieser ist der Begriff von | ||||||
| 12 | einem Gegenstande überhaupt (problematisch genommen und unausgemacht, | ||||||
| 13 | ob er Etwas oder Nichts sei). Weil die Kategorien die einzige Begriffe | ||||||
| 14 | sind, die sich auf Gegenstände überhaupt beziehen, so wird die Unterscheidung | ||||||
| 15 | eines Gegenstandes, ob er Etwas oder Nichts sei, nach der Ordnung | ||||||
| 16 | und Anweisung der Kategorien fortgehen. | ||||||
| 17 | 1) Den Begriffen von Allem, Vielem und Einem ist der, so alles | ||||||
| 18 | aufhebt, d. i. Keines, entgegen gesetzt, und so ist der Gegenstand | ||||||
| 19 | eines Begriffs, dem gar keine anzugebende Anschauung correspondirt, | ||||||
| 20 | = Nichts, d. i. ein Begriff ohne Gegenstand, wie die Noumena, | ||||||
| 21 | die nicht unter die Möglichkeiten gezählt werden können, | ||||||
| 22 | obgleich auch darum nicht für unmöglich ausgegeben werden | ||||||
| 23 | müssen ( ens rationis ), oder wie etwa gewisse neue Grundkräfte, die | ||||||
| 24 | man sich denkt, zwar ohne Widerspruch, aber auch ohne Beispiel | ||||||
| 25 | aus der Erfahrung gedacht werden und also nicht unter die Möglichkeiten | ||||||
| 26 | gezählt werden müssen. | ||||||
| 27 | 2) Realität ist Etwas, Negation ist Nichts, nämlich ein Begriff | ||||||
| 28 | von dem Mangel eines Gegenstandes, wie der Schatten, die | ||||||
| 29 | Kälte, ( nihil privativum ). | ||||||
| 30 | 3) Die bloße Form der Anschauung ohne Substanz ist an sich kein | ||||||
| 31 | Gegenstand, sondern die blos formale Bedingung desselben (als | ||||||
| 32 | Erscheinung), wie der reine Raum und die reine Zeit ( ens imaginarium ), | ||||||
| 33 | die zwar Etwas sind als Formen anzuschauen, aber | ||||||
| 34 | selbst keine Gegenstände sind, die angeschauet werden. | ||||||
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