Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 164

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Begriff eines Gegenstandes vereinigt. Dieses transscendentale Object      
  02 läßt sich gar nicht von den sinnlichen datis absondern, weil alsdann      
  03 nichts übrig bleibt, wodurch es gedacht würde. Es ist also kein Gegenstand      
  04 der Erkenntniß an sich selbst, sondern nur die Vorstellung der Erscheinungen      
  05 unter dem Begriffe eines Gegenstandes überhaupt, der durch      
  06 das Mannigfaltige derselben bestimmbar ist.      
           
  07 Eben um deswillen stellen nun auch die Kategorien kein besonderes,      
  08 dem Verstande allein gegebenes Object vor, sondern dienen nur dazu, das      
  09 transscendentale Object (den Begriff von etwas überhaupt) durch das,      
  10 was in der Sinnlichkeit gegeben wird, zu bestimmen, um dadurch Erscheinungen      
  11 unter Begriffen von Gegenständen empirisch zu erkennen.      
           
  12 Was aber die Ursache betrifft, weswegen man, durch das Substratum      
  13 der Sinnlichkeit noch nicht befriedigt, den Phaenomenis noch Noumena zugegeben      
  14 hat, die nur der reine Verstand denken kann, so beruht sie lediglich      
  15 darauf. Die Sinnlichkeit und ihr Feld, nämlich das der Erscheinungen,      
  16 wird selbst durch den Verstand dahin eingeschränkt: daß sie nicht auf Dinge      
  17 an sich selbst, sondern nur auf die Art gehe, wie uns vermöge unserer subjectiven      
  18 Beschaffenheit Dinge erscheinen. Dies war das Resultat der ganzen      
  19 transscendentalen Ästhetik, und es folgt auch natürlicher Weise aus      
  20 dem Begriffe einer Erscheinung überhaupt: daß ihr etwas entsprechen      
  21 müsse, was an sich nicht Erscheinung ist, weil Erscheinung nichts für sich      
  22 selbst und außer unserer Vorstellungsart sein kann, mithin, wo nicht ein      
  23 beständiger Cirkel herauskommen soll, das Wort Erscheinung schon eine      
  24 Beziehung auf Etwas anzeigt, dessen unmittelbare Vorstellung zwar sinnlich      
  25 ist, was aber an sich selbst, auch ohne diese Beschaffenheit unserer      
  26 Sinnlichkeit (worauf sich die Form unserer Anschauung gründet), Etwas,      
  27 d. i. ein von der Sinnlichkeit unabhängiger Gegenstand, sein muß.      
           
  28 Hieraus entspringt nun der Begriff von einem Noumenon, der aber      
  29 gar nicht positiv ist und eine bestimmte Erkenntniß von irgend einem      
  30 Dinge, sondern nur das Denken von Etwas überhaupt bedeutet, bei welchem      
  31 ich von aller Form der sinnlichen Anschauung abstrahire. Damit      
  32 aber ein Noumenon einen wahren, von allen Phänomenen zu unterscheidenden      
  33 Gegenstand bedeute, so ist es nicht genug, daß ich meinen Gedanken      
  34 von allen Bedingungen sinnlicher Anschauung befreie, ich mu      
  35 noch überdem Grund dazu haben, eine andere Art der Anschauung, als      
  36 diese sinnliche ist, anzunehmen, unter der ein solcher Gegenstand gegeben      
  37 werden könne; denn sonst ist mein Gedanke doch leer, obzwar ohne      
           
     

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