Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 160

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 das Nichtsein folgt (oder umgekehrt), mithin einen Wechsel vorstellt; denn      
  02 daß das Nichtsein eines Dinges sich selbst nicht widerspreche, ist eine lahme      
  03 Berufung auf eine logische Bedingung, die zwar zum Begriffe nothwendig,      
  04 aber zur realen Möglichkeit bei weitem nicht hinreichend ist; wie      
  05 ich denn eine jede existirende Substanz in Gedanken aufheben kann, ohne      
  06 mir selbst zu widersprechen, daraus aber auf die objective Zufälligkeit derselben      
  07 in ihrem Dasein, d. i. die Möglichkeit ihres Nichtseins an sich selbst,      
  08 gar nicht schließen kann. Was den Begriff der Gemeinschaft betrifft, so      
  09 ist leicht zu ermessen, daß, da die reine Kategorien der Substanz sowohl      
  10 als Causalität keine das Object bestimmende Erklärung zulassen, die      
  11 wechselseitige Causalität in der Beziehung der Substanzen auf einander      
  12 ( commercium ) eben so wenig derselben fähig sei. Möglichkeit, Dasein und      
  13 Nothwendigkeit hat noch niemand anders als durch offenbare Tautologie      
  14 erklären können, wenn man ihre Definition lediglich aus dem reinen Verstande      
  15 schöpfen wollte. Denn das Blendwerk, die logische Möglichkeit des      
  16 Begriffs (da er sich selbst nicht widerspricht) der transscendentalen Möglichkeit      
  17 der Dinge (da dem Begriff ein Gegenstand correspondirt) zu      
  18 unterschieben, kann nur Unversuchte hintergehen und zufrieden stellen.      
           
  19 Es hat etwas Befremdliches und sogar Widersinnisches an sich, daß      
  20 ein Begriff sein soll, dem doch eine Bedeutung zukommen muß, der aber      
  21 keiner Erklärung fähig wäre. Allein hier hat es mit den Kategorien diese      
  22 besondere Bewandtniß, daß sie nur vermittelst der allgemeinen sinnlichen      
  23 Bedingung eine bestimmte Bedeutung und Beziehung auf irgend einen      
  24 Gegenstand haben können, diese Bedingung aber aus der reinen Kategorie      
  25 weggelassen worden, da diese denn nichts als die logische Function      
  26 enthalten kann, das Mannigfaltige unter einen Begriff zu bringen. Aus      
  27 dieser Function, d. i. der Form des Begriffs allein, kann aber gar nichts      
  28 erkannt und unterschieden werden, welches Object darunter gehöre, weil      
  29 eben von der sinnlichen Bedingung, unter der überhaupt Gegenstände unter      
  30 sie gehören können, abstrahirt worden. Daher bedürfen die Kategorien      
  31 noch über den reinen Verstandesbegriff Bestimmungen ihrer Anwendung      
  32 auf Sinnlichkeit überhaupt (Schema) und sind ohne diese keine Begriffe,      
  33 wodurch ein Gegenstand erkannt und von andern unterschieden würde, sondern      
  34 nur so viel Arten, einen Gegenstand zu möglichen Anschauungen zu      
  35 denken und ihm nach irgend einer Function des Verstandes seine Bedeutung      
  36 (unter noch erforderlichen Bedingungen) zu geben, d. i. ihn zu definiren:      
  37 selbst können sie also nicht definirt werden. Die logische Functionen      
           
     

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