Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 161

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 der Urtheile überhaupt: Einheit und Vielheit, Bejahung und Verneinung,      
  02 Subject und Prädicat, können, ohne einen Cirkel zu begehen, nicht      
  03 definirt werden, weil die Definition doch selbst ein Urtheil sein und also      
  04 diese Functionen schon enthalten müßte. Die reine Kategorien sind aber      
  05 nichts anders als Vorstellungen der Dinge überhaupt, so fern das Mannigfaltige      
  06 ihrer Anschauung durch eine oder andere dieser logischen Functionen      
  07 gedacht werden muß: Größe ist die Bestimmung, welche nur durch ein      
  08 Urtheil, das Quantität hat ( iudicium commune ), Realität diejenige, die      
  09 nur durch ein bejahend Urtheil gedacht werden kann, Substanz, was in      
  10 Beziehung auf die Anschauung das letzte Subject aller anderen Bestimmungen      
  11 sein muß. Was das nun aber für Dinge seien, in Ansehung deren      
  12 man sich dieser Function vielmehr als einer andern bedienen müsse, bleibt      
  13 hiebei ganz unbestimmt: mithin haben die Kategorien ohne die Bedingung      
  14 der sinnlichen Anschauung, dazu sie die Synthesis enthalten, gar      
  15 keine Beziehung auf irgend ein bestimmtes Object, können also keines definiren      
  16 und haben folglich an sich selbst keine Gültigkeit objectiver Begriffe.      
           
  18 Hieraus fließt nun unwidersprechlich: daß die reine Verstandesbegriffe      
  19 niemals von transscendentalem, sondern jederzeit nur von empirischem      
  20 Gebrauche sein können, und daß die Grundsätze des reinen      
  21 Verstandes nur in Beziehung auf die allgemeine Bedingungen einer möglichen      
  22 Erfahrung auf Gegenstände der Sinne, niemals aber auf Dinge      
  23 überhaupt (ohne Rücksicht auf die Art zu nehmen, wie wir sie anschauen      
  24 mögen) bezogen werden können.      
           
  25 Die transscendentale Analytik hat demnach dieses wichtige Resultat:      
  26 daß der Verstand a priori niemals mehr leisten könne, als die Form einer      
  27 möglichen Erfahrung überhaupt zu anticipiren, und da dasjenige, was      
  28 nicht Erscheinung ist, kein Gegenstand der Erfahrung sein kann: daß er      
  29 die Schranken der Sinnlichkeit, innerhalb denen uns allein Gegenstände      
  30 gegeben werden, niemals überschreiten könne. Seine Grundsätze sind blos      
  31 Principien der Exposition der Erscheinungen, und der stolze Name einer      
  32 Ontologie, welche sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnisse      
  33 a priori in einer systematischen Doctrin zu geben (z. E. den Grundsatz      
  34 der Causalität), muß dem bescheidenen einer bloßen Analytik des reinen      
  35 Verstandes Platz machen.      
           
  36 Das Denken ist die Handlung, gegebene Anschauung auf einen Gegenstand      
  37 zu beziehen. Ist die Art dieser Anschauung auf keinerlei Weise gegeben,      
           
     

[ Seite 160 ] [ Seite 162 ] [ Inhaltsverzeichnis ]