Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 118 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | Erscheinung als ein Quantum), welches nicht durch die bloße Fortsetzung | ||||||
| 02 | der productiven Synthesis einer gewissen Art, sondern durch | ||||||
| 03 | Wiederholung einer immer aufhörenden Synthesis erzeugt wird. Wenn | ||||||
| 04 | ich 13 Thaler ein Geldquantum nenne, so benenne ich es so fern richtig, | ||||||
| 05 | als ich darunter den Gehalt von einer Mark fein Silber verstehe, welche | ||||||
| 06 | aber allerdings eine continuirliche Größe ist, in welcher kein Theil der | ||||||
| 07 | kleinste ist, sondern jeder Theil ein Geldstück ausmachen könnte, welches | ||||||
| 08 | immer Materie zu noch kleineren enthielte. Wenn ich aber unter jener | ||||||
| 09 | Benennung 13 runde Thaler verstehe als so viel Münzen (ihr Silbergehalt | ||||||
| 10 | mag sein, welcher er wolle), so benenne ich es unschicklich durch ein Quantum | ||||||
| 11 | von Thalern, sondern muß es ein Aggregat, d. i. eine Zahl Geldstücke, | ||||||
| 12 | nennen. Da nun bei aller Zahl doch Einheit zum Grunde liegen muß, | ||||||
| 13 | so ist die Erscheinung als Einheit ein Quantum und als ein solches jederzeit | ||||||
| 14 | ein Continuum. | ||||||
| 15 | Wenn nun alle Erscheinungen, sowohl extensiv, als intensiv betrachtet, | ||||||
| 16 | continuirliche Größen sind, so würde der Satz: daß auch alle Veränderung | ||||||
| 17 | (Übergang eines Dinges aus einem Zustande in den andern) continuirlich | ||||||
| 18 | sei, leicht und mit mathematischer Evidenz hier bewiesen werden | ||||||
| 19 | können, wenn nicht die Causalität einer Veränderung überhaupt ganz | ||||||
| 20 | außerhalb den Grenzen einer Transscendental=Philosophie läge und empirische | ||||||
| 21 | Principien voraussetzte. Denn daß eine Ursache möglich sei, | ||||||
| 22 | welche den Zustand der Dinge verändere, d. i. sie zum Gegentheil eines | ||||||
| 23 | gewissen gegebenen Zustandes bestimme, davon giebt uns der Verstand | ||||||
| 24 | a priori gar keine Eröffnung; nicht blos deswegen, weil er die Möglichkeit | ||||||
| 25 | davon gar nicht einsieht (denn diese Einsicht fehlt uns in mehreren Erkenntnissen | ||||||
| 26 | a priori), sondern weil die Veränderlichkeit nur gewisse Bestimmungen | ||||||
| 27 | der Erscheinungen trifft, welche die Erfahrung allein lehren | ||||||
| 28 | kann, indessen daß ihre Ursache in dem Unveränderlichen anzutreffen ist. | ||||||
| 29 | Da wir aber hier nichts vor uns haben, dessen wir uns bedienen können, | ||||||
| 30 | als die reinen Grundbegriffe aller möglichen Erfahrung, unter welchen | ||||||
| 31 | durchaus nichts Empirisches sein muß, so können wir, ohne die Einheit | ||||||
| 32 | des Systems zu verletzen, der allgemeinen Naturwissenschaft, welche auf | ||||||
| 33 | gewisse Grunderfahrungen gebauet ist, nicht vorgreifen. | ||||||
| 34 | Gleichwohl mangelt es uns nicht an Beweisthümern des großen | ||||||
| 35 | Einflusses, den dieser unser Grundsatz hat, Wahrnehmungen zu anticipiren | ||||||
| 36 | und sogar deren Mangel so fern zu ergänzen, daß er allen falschen | ||||||
| 37 | Schlüssen, die daraus gezogen werden möchten, den Riegel vorschiebt. | ||||||
| [ Seite 117 ] [ Seite 119 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||