Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 407

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 von einem anderen in keinem Stücke unterschieden, und was also      
  02 von einigen unter diesem Begriffe enthaltenen gilt, das gilt auch von      
  03 allen. Mithin werde ich's (in diesem Falle) auch schlechthin umkehren      
  04 können, d. i. ein jedes allerrealste Wesen ist ein nothwendiges Wesen.      
  05 Weil nun dieser Satz bloß aus seinen Begriffen a priori bestimmt ist, so      
  06 muß der bloße Begriff des realsten Wesens auch die absolute Nothwendigkeit      
  07 desselben bei sich führen; welches eben der ontologische Beweis behauptete      
  08 und der kosmologische nicht anerkennen wollte, gleichwohl aber      
  09 seinen Schlüssen, obzwar versteckter Weise, unterlegte.      
           
  10 So ist denn der zweite Weg, den die speculative Vernunft nimmt,      
  11 um das Dasein des höchsten Wesens zu beweisen, nicht allein mit dem      
  12 ersten gleich trüglich, sondern hat noch dieses Tadelhafte an sich, daß er      
  13 eine ignoratio elenchi begeht, indem er uns verheißt, einen neuen Fußsteig      
  14 zu führen, aber nach einem kleinen Umschweif uns wiederum auf den      
  15 alten zurückbringt, den wir seinetwegen verlassen hatten.      
           
  16 Ich habe kurz vorher gesagt, daß in diesem kosmologischen Argumente      
  17 sich ein ganzes Nest von dialektischen Anmaßungen verborgen halte,      
  18 welches die transscendentale Kritik leicht entdecken und zerstören kann.      
  19 Ich will sie jetzt nur anführen und es dem schon geübten Leser überlassen,      
  20 den trüglichen Grundsätzen weiter nachzuforschen und sie aufzuheben.      
           
  21 Da befindet sich denn z. B. 1) der transscendentale Grundsatz, vom      
  22 Zufälligen auf eine Ursache zu schließen, welcher nur in der Sinnenwelt      
  23 von Bedeutung ist, außerhalb derselben aber auch nicht einmal einen Sinn      
  24 hat. Denn der bloß intellectuelle Begriff des Zufälligen kann gar keinen      
  25 synthetischen Satz, wie den der Causalität hervorbringen, und der Grundsatz      
  26 der letzteren hat gar keine Bedeutung und kein Merkmal seines Gebrauchs,      
  27 als nur in der Sinnenwelt; hier aber sollte er gerade dazu dienen,      
  28 um über die Sinnenwelt hinaus zu kommen. 2) Der Grundsatz, von der      
  29 Unmöglichkeit einer unendlichen Reihe über einander gegebener Ursachen      
  30 in der Sinnenwelt auf eine erste Ursache zu schließen, wozu uns die Principien      
  31 des Vernunftgebrauchs selbst in der Erfahrung nicht berechtigen,      
  32 viel weniger diesen Grundsatz über dieselbe (wohin diese Kette gar nicht      
  33 verlängert werden kann) ausdehnen können. 3) Die falsche Selbstbefriedigung      
  34 der Vernunft in Ansehung der Vollendung dieser Reihe, dadurch daß      
  35 man endlich alle Bedingung, ohne welche doch kein Begriff einer Nothwendigkeit      
  36 statt finden kann, wegschafft und, da man alsdann nichts weiter begreifen      
  37 kann, dieses für eine Vollendung seines Begriffs annimmt. 4) Die      
           
     

[ Seite 406 ] [ Seite 408 ] [ Inhaltsverzeichnis ]