Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 406

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 empirische Beweisgrund nicht lehren, sondern da nimmt die Vernunft      
  02 gänzlich von ihm Abschied und forscht hinter lauter Begriffen: was nämlich      
  03 ein absolut nothwendiges Wesen überhaupt für Eigenschaften haben      
  04 müsse, d. i. welches unter allen möglichen Dingen die erforderlichen Bedingungen      
  05 ( requisita ) zu einer absoluten Nothwendigkeit in sich enthalte.      
  06 Nun glaubt sie im Begriffe eines allerrealsten Wesens einzig und allein      
  07 diese Requisite anzutreffen und schließt sodann: das ist das schlechterdings      
  08 nothwendige Wesen. Es ist aber klar, daß man hiebei voraussetzt, der      
  09 Begriff eines Wesens von der höchsten Realität thue dem Begriffe der      
  10 absoluten Nothwendigkeit im Dasein völlig genug, d. i. es lasse sich aus      
  11 jener auf diese schließen; ein Satz, den das ontologische Argument behauptete,      
  12 welches man also im kosmologischen Beweise annimmt und zum      
  13 Grunde legt, da man es doch hatte vermeiden wollen. Denn die absolute      
  14 Nothwendigkeit ist ein Dasein aus bloßen Begriffen. Sage ich nun: der      
  15 Begriff des entis realissimi ist ein solcher Begriff und zwar der einzige, der      
  16 zu dem nothwendigen Dasein passend und ihm adäquat ist, so muß ich auch      
  17 einräumen, daß aus ihm das letztere geschlossen werden könne. Es ist also      
  18 eigentlich nur der ontologische Beweis aus lauter Begriffen, der in dem      
  19 sogenannten kosmologischen alle Beweiskraft enthält; und die angebliche      
  20 Erfahrung ist ganz müßig, vielleicht um uns nur auf den Begriff der absoluten      
  21 Nothwendigkeit zu führen, nicht aber um diese an irgend einem      
  22 bestimmten Dinge darzuthun. Denn sobald wir dieses zur Absicht haben,      
  23 müssen wir sofort alle Erfahrung verlassen und unter reinen Begriffen      
  24 suchen, welcher von ihnen wohl die Bedingungen der Möglichkeit eines      
  25 absolut nothwendigen Wesens enthalte. Ist aber auf solche Weise nur die      
  26 Möglichkeit eines solchen Wesens eingesehen, so ist auch sein Dasein dargethan;      
  27 denn es heißt so viel als: unter allem Möglichen ist Eines, das      
  28 absolute Nothwendigkeit bei sich führt, d. i. dieses Wesen existirt schlechterdings      
  29 nothwendig.      
           
  30 Alle Blendwerke im Schließen entdecken sich am leichtesten, wenn      
  31 man sie auf schulgerechte Art vor Augen stellt. Hier ist eine solche Darstellung.      
           
  33 Wenn der Satz richtig ist: ein jedes schlechthin nothwendige Wesen      
  34 ist zugleich das allerrealste Wesen (als welches der nervus probandi des      
  35 kosmologischen Beweises ist), so muß er sich wie alle bejahende Urtheile      
  36 wenigstens per accidens umkehren lassen; also: einige allerrealste Wesen      
  37 sind zugleich schlechthin nothwendige Wesen. Nun ist aber ein ens realissimum      
           
     

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