Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 405 |
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| 01 | von der Erfahrung an, mithin ist er nicht gänzlich a priori geführt oder | ||||||
| 02 | ontologisch; und weil der Gegenstand aller möglichen Erfahrung Welt | ||||||
| 03 | heißt, so wird er darum der kosmologische Beweis genannt. Da er | ||||||
| 04 | auch von aller besondern Eigenschaft der Gegenstände der Erfahrung, dadurch | ||||||
| 05 | sich diese Welt von jeder möglichen unterscheiden mag, abstrahirt: | ||||||
| 06 | so wird er schon in seiner Benennung auch vom physikotheologischen Beweise | ||||||
| 07 | unterschieden, welcher Beobachtungen der besonderen Beschaffenheit | ||||||
| 08 | dieser unserer Sinnenwelt zu Beweisgründen braucht. | ||||||
| 09 | Nun schließt der Beweis weiter: das nothwendige Wesen kann nur auf | ||||||
| 10 | eine einzige Art, d. i. in Ansehung aller möglichen entgegengesetzten Prädicate | ||||||
| 11 | nur durch eines derselben, bestimmt werden, folglich muß es durch | ||||||
| 12 | seinen Begriff durchgängig bestimmt sein. Nun ist nur ein einziger Begriff | ||||||
| 13 | von einem Dinge möglich, der dasselbe a priori durchgängig bestimmt, | ||||||
| 14 | nämlich der des entis realissimi . Also ist der Begriff des allerrealsten | ||||||
| 15 | Wesens der einzige, dadurch ein nothwendiges Wesen gedacht werden kann, | ||||||
| 16 | d. i. es existirt ein höchstes Wesen nothwendiger Weise. | ||||||
| 17 | In diesem kosmologischen Argumente kommen so viel vernünftelnde | ||||||
| 18 | Grundsätze zusammen, daß die speculative Vernunft hier alle ihre dialektische | ||||||
| 19 | Kunst aufgeboten zu haben scheint, um den größtmöglichen transscendentalen | ||||||
| 20 | Schein zu Stande zu bringen. Wir wollen ihre Prüfung indessen | ||||||
| 21 | eine Weile bei Seite setzen, um nur eine List derselben offenbar zu | ||||||
| 22 | machen, mit welcher sie ein altes Argument in verkleideter Gestalt für ein | ||||||
| 23 | neues aufstellt und sich auf zweier Zeugen Einstimmung beruft, nämlich | ||||||
| 24 | einen reinen Vernunftzeugen und einen anderen von empirischer Beglaubigung, | ||||||
| 25 | da es doch nur der erstere allein ist, welcher bloß seinen Anzug | ||||||
| 26 | und Stimme verändert, um für einen zweiten gehalten zu werden. Um | ||||||
| 27 | seinen Grund recht sicher zu legen, fußt sich dieser Beweis auf Erfahrung | ||||||
| 28 | und giebt sich dadurch das Ansehen, als sei er vom ontologischen Beweise | ||||||
| 29 | unterschieden, der auf lauter reine Begriffe a priori sein ganzes Vertrauen | ||||||
| 30 | setzt. Dieser Erfahrung aber bedient sich der kosmologische Beweis nur, | ||||||
| 31 | um einen einzigen Schritt zu thun, nämlich zum Dasein eines nothwendigen | ||||||
| 32 | Wesens überhaupt. Was dieses für Eigenschaften habe, kann der | ||||||
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