Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 361 |
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01 | bloß ihrer Größe nach erwogen, und da bestand die Schwierigkeit, | ||||||
02 | die durch keinen Vergleich, sondern durch gänzliche Abschneidung des | ||||||
03 | Knotens allein gehoben werden konnte, darin, daß die Vernunft es dem | ||||||
04 | Verstande entweder zu lang oder zu kurz machte, so daß dieser ihrer | ||||||
05 | Idee niemals gleich kommen konnte. | ||||||
06 | Wir haben aber hiebei einen wesentlichen Unterschied übersehen, der | ||||||
07 | unter den Objecten, d. i. den Verstandesbegriffen, herrscht, welche die Vernunft | ||||||
08 | zu Ideen zu erheben trachtet, da nämlich nach unserer obigen Tafel | ||||||
09 | der Kategorien zwei derselben mathematische, die zwei übrigen aber | ||||||
10 | eine dynamische Synthesis der Erscheinungen bedeuten. Bis hieher | ||||||
11 | konnte dieses auch gar wohl geschehen, indem wir, so wie wir in der allgemeinen | ||||||
12 | Vorstellung aller transscendentalen Ideen immer nur unter Bedingungen | ||||||
13 | in der Erscheinung blieben, eben so auch in den zwei mathematisch | ||||||
14 | transscendentalen keinen andern Gegenstand, als den in der | ||||||
15 | Erscheinung hatten. Jetzt aber, da wir zu dynamischen Begriffen des | ||||||
16 | Verstandes, so fern sie der Vernunftidee anpassen sollen, fortgehen, wird | ||||||
17 | jene Unterscheidung wichtig und eröffnet uns eine ganz neue Aussicht in | ||||||
18 | Ansehung des Streithandels, darin die Vernunft verflochten ist; und welcher, | ||||||
19 | da er vorher als auf beiderseitige falsche Voraussetzungen gebauet | ||||||
20 | abgewiesen worden, jetzt, da vielleicht in der dynamischen Antinomie | ||||||
21 | eine solche Voraussetzung stattfindet, die mit der Prätension der Vernunft | ||||||
22 | zusammen bestehen kann, aus diesem Gesichtspunkte und, da der Richter | ||||||
23 | den Mangel der Rechtsgründe, die man beiderseits verkannt hatte, ergänzt, | ||||||
24 | zu beider Theile Genugthuung verglichen werden kann, welches sich bei | ||||||
25 | dem Streite in der mathematischen Antinomie nicht thun ließ. | ||||||
26 | Die Reihen der Bedingungen sind freilich in so fern alle gleichartig, | ||||||
27 | als man lediglich auf die Erstreckung derselben sieht: ob sie der Idee | ||||||
28 | angemessen sind, oder ob diese für jene zu groß oder zu klein sind. Allein | ||||||
29 | der Verstandesbegriff, der diesen Ideen zum Grunde liegt, enthält entweder | ||||||
30 | lediglich eine Synthesis des Gleichartigen (welches bei jeder Größe in | ||||||
31 | der Zusammensetzung sowohl als Theilung derselben vorausgesetzt wird), | ||||||
32 | oder auch des Ungleichartigen, welches in der dynamischen Synthesis | ||||||
33 | der Causalverbindung sowohl, als der des nothwendigen mit dem Zufälligen | ||||||
34 | wenigstens zugelassen werden kann. | ||||||
35 | Daher kommt es, daß in der mathematischen Verknüpfung der Reihen | ||||||
36 | der Erscheinungen keine andere als sinnliche Bedingung hinein kommen | ||||||
37 | kann, d. i. eine solche, die selbst ein Theil der Reihe ist; da hingegen die | ||||||
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