Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 311 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Schwierigkeit belästigt, die Abstammung der Begebenheiten in der Reihe | ||||||
02 | der Ursachen immer höher hinauf zu suchen, weil die Causalität an ihnen | ||||||
03 | jederzeit bedingt ist, aber zur Schadloshaltung durchgängige und gesetzmäßige | ||||||
04 | Einheit der Erfahrung verspricht, da hingegen das Blendwerk von | ||||||
05 | Freiheit zwar dem forschenden Verstande in der Kette der Ursachen Ruhe | ||||||
06 | verheißt, indem sie ihn zu einer unbedingten Causalität führt, die von | ||||||
07 | selbst zu handeln anhebt, die aber, da sie selbst blind ist, den Leitfaden der | ||||||
08 | Regeln abreißt, an welchem allein eine durchgängig zusammenhängende | ||||||
09 | Erfahrung möglich ist. | ||||||
10 | Anmerkung zur dritten Antinomie. |
||||||
11 | II zur Antithesis. |
||||||
12 | Der Vertheidiger der Allvermögenheit der Natur (transscendentale | ||||||
13 | Physiokratie) im Widerspiel mit der Lehre von der Freiheit würde seinen | ||||||
14 | Satz gegen die vernünftelnden Schlüsse der letzteren auf folgende Art | ||||||
15 | behaupten. Wenn ihr kein mathematisch Erstes der Zeit nach in | ||||||
16 | der Welt annehmt, so habt ihr auch nicht nöthig, ein dynamisch | ||||||
17 | Erstes der Causalität nach zu suchen. Wer hat euch geheißen, einen | ||||||
18 | schlechthin ersten Zustand der Welt und mithin einen absoluten Anfang | ||||||
19 | der nach und nach ablaufenden Reihe der Erscheinungen zu erdenken und | ||||||
20 | damit ihr eurer Einbildung einen Ruhepunkt verschaffen möget, der unumschränkten | ||||||
21 | Natur Grenzen zu setzen? Da die Substanzen in der Welt | ||||||
22 | jederzeit gewesen sind, wenigstens die Einheit der Erfahrung eine solche | ||||||
23 | Voraussetzung nothwendig macht, so hat es keine Schwierigkeit, auch anzunehmen, | ||||||
24 | daß der Wechsel ihrer Zustände, d. i. eine Reihe ihrer Veränderungen, | ||||||
25 | jederzeit gewesen sei, und mithin kein erster Anfang, weder | ||||||
26 | mathematisch, noch dynamisch gesucht werden dürfe. Die Möglichkeit einer | ||||||
27 | solchen unendlichen Abstammung ohne ein erstes Glied, in Ansehung dessen | ||||||
28 | alles übrige bloß nachfolgend ist, läßt sich seiner Möglichkeit nach nicht | ||||||
29 | begreiflich machen. Aber wenn ihr diese Naturräthsel darum wegwerfen | ||||||
30 | wollt, so werdet ihr euch genöthigt sehen, viel synthetische Grundbeschaffenheiten | ||||||
[ Seite 310 ] [ Seite 312 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |