Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 299

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Schule ganz wohl zufrieden. Der Raum ist bloß die Form der      
  02 äußeren Anschauung, aber kein wirklicher Gegenstand, der äußerlich angeschauet      
  03 werden kann, und kein Correlatum der Erscheinungen, sondern      
  04 die Form der Erscheinungen selbst. Der Raum also kann absolut (für      
  05 sich allein) nicht als etwas Bestimmendes in dem Dasein der Dinge vorkommen,      
  06 weil er gar kein Gegenstand ist, sondern nur die Form möglicher      
  07 Gegenstände. Dinge also als Erscheinungen bestimmen wohl den Raum,      
  08 d. i. unter allen möglichen Prädicaten desselben (Größe und Verhältniß)      
  09 machen sie es, daß diese oder jene zur Wirklichkeit gehören; aber umgekehrt      
  10 kann der Raum als etwas, welches für sich besteht, die Wirklichkeit der      
  11 Dinge in Ansehung der Größe oder Gestalt nicht bestimmen, weil er an      
  12 sich selbst nichts Wirkliches ist. Es kann also wohl ein Raum (er sei voll      
  13 oder leer)*) durch Erscheinungen begrenzt, Erscheinungen aber können      
  14 nicht durch einen leeren Raum außer denselben begrenzt werden. Eben      
  15 dieses gilt auch von der Zeit. Alles dieses nun zugegeben, so ist gleichwohl      
  16 unstreitig, daß man diese zwei Undinge, den leeren Raum außer und      
  17 die leere Zeit vor der Welt, durchaus annehmen müsse, wenn man eine      
  18 Weltgrenze, es sei dem Raume oder der Zeit nach, annimmt.      
           
  19 Denn was den Ausweg betrifft, durch den man der Consequenz auszuweichen      
  20 sucht, nach welcher wir sagen, daß, wenn die Welt (der Zeit und      
  21 dem Raum nach) Grenzen hat, das unendliche Leere das Dasein wirklicher      
  22 Dinge ihrer Größe nach bestimmen müsse, so besteht er ingeheim nur darin:      
  23 daß man statt einer Sinnenwelt sich wer weiß welche intelligibele      
  24 Welt gedenkt und statt des ersten Anfanges (ein Dasein, vor welchem eine      
  25 Zeit des Nichtseins vorhergeht) sich überhaupt ein Dasein denkt, welches      
  26 keine andere Bedingung in der Welt voraussetzt, statt der Grenze      
  27 der Ausdehnung Schranken des Weltganzen denkt und dadurch der Zeit      
  28 und dem Raume aus dem Wege geht. Es ist hier aber nur von dem      
  29 mundus phaenomenon die Rede und von dessen Größe, bei dem man von      
  30 gedachten Bedingungen der Sinnlichkeit keinesweges abstrahiren kann,      
  31 ohne das Wesen desselben aufzuheben. Die Sinnenwelt, wenn sie begrenzt      
           
    *) Man bemerkt leicht, daß hiedurch gesagt werden wolle: der leere Raum, so fern er durch Erscheinungen begrenzt wird, mithin derjenige innerhalb der Welt widerspreche wenigstens nicht den transscendentalen Principien und könne also in Ansehung dieser eingeräumt (obgleich darum seine Möglichkeit nicht sofort behauptet) werden.      
           
     

[ Seite 298 ] [ Seite 300 ] [ Inhaltsverzeichnis ]