Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 291

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Absicht aufwirft, sondern eine solche, auf die jede menschliche Vernunft in      
  02 ihrem Fortgange nothwendig stoßen muß; und zweitens, daß er mit seinem      
  03 Gegensatze nicht bloß einen gekünstelten Schein, der, wenn man ihn      
  04 einsieht, sogleich verschwindet, sondern einen natürlichen und unvermeidlichen      
  05 Schein bei sich führe, der selbst, wenn man nicht mehr durch ihn      
  06 hintergangen wird, noch immer täuscht, obschon nicht betrügt, und also      
  07 zwar unschädlich gemacht, aber niemals vertilgt werden kann.      
           
  08 Eine solche dialektische Lehre wird sich nicht auf die Verstandeseinheit      
  09 in Erfahrungsbegriffen, sondern auf die Vernunfteinheit in bloßen Ideen      
  10 beziehen, deren Bedingungen, da sie erstlich als Synthesis nach Regeln      
  11 dem Verstande und doch zugleich als absolute Einheit derselben der Vernunft      
  12 congruiren soll, wenn sie der Vernunfteinheit adäquat ist, für den      
  13 Verstand zu groß und, wenn sie dem Verstande angemessen, für die Vernunft      
  14 zu klein sein werden; woraus denn ein Widerstreit entspringen      
  15 muß, der nicht vermieden werden kann, man mag es anfangen, wie      
  16 man will.      
           
  17 Diese vernünftelnde Behauptungen eröffnen also einen dialektischen      
  18 Kampfplatz, wo jeder Theil die Oberhand behält, der die Erlaubniß hat,      
  19 den Angriff zu thun, und derjenige gewiß unterliegt, der bloß vertheidigungsweise      
  20 zu verfahren genöthigt ist. Daher auch rüstige Ritter, sie      
  21 mögen sich für die gute oder schlimme Sache verbürgen, sicher sind, den      
  22 Siegeskranz davon zu tragen, wenn sie nur dafür sorgen, daß sie den letzten      
  23 Angriff zu thun das Vorrecht haben und nicht verbunden sind, einen      
  24 neuen Anfall des Gegners auszuhalten. Man kann sich leicht vorstellen,      
  25 daß dieser Tummelplatz von jeher oft genug betreten worden, daß viel      
  26 Siege von beiden Seiten erfochten, für den letzten aber, der die Sache entschied,      
  27 jederzeit so gesorgt worden sei, daß der Verfechter der guten Sache      
  28 den Platz allein behielte, dadurch daß seinem Gegner verboten wurde, fernerhin      
  29 Waffen in die Hände zu nehmen. Als unparteiische Kampfrichter      
  30 müssen wir es ganz bei Seite setzen, ob es die gute oder die schlimme Sache      
  31 sei, um welche die Streitende fechten, und sie ihre Sache erst unter sich      
  32 ausmachen lassen. Vielleicht daß, nachdem sie einander mehr ermüdet als      
  33 geschadet haben, sie die Nichtigkeit ihres Streithandels von selbst einsehen      
  34 und als gute Freunde auseinander gehen.      
           
  35 Diese Methode, einem Streite der Behauptungen zuzusehen, oder      
           
     

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