Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 279 |
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01 | Allgemeine Anmerkung, |
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02 | den Übergang von der rationalen Psychologie |
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03 | zur Kosmologie betreffend. |
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04 | Der Satz: Ich denke, oder: Ich existire denkend, ist ein empirischer | ||||||
05 | Satz. Einem solchen aber liegt empirische Anschauung, folglich auch das | ||||||
06 | gedachte Object als Erscheinung zum Grunde, und so scheint es, als wenn | ||||||
07 | nach unserer Theorie die Seele ganz und gar, selbst im Denken, in Erscheinung | ||||||
08 | verwandelt würde, und auf solche Weise unser Bewußtsein selbst, | ||||||
09 | als bloßer Schein, in der That auf nichts gehen müßte. | ||||||
10 | Das Denken, für sich genommen, ist bloß die logische Function, | ||||||
11 | mithin lauter Spontaneität der Verbindung des Mannigfaltigen einer | ||||||
12 | bloß möglichen Anschauung und stellt das Subject des Bewußtseins keinesweges | ||||||
13 | als Erscheinung dar, bloß darum weil es gar keine Rücksicht | ||||||
14 | auf die Art der Anschauung nimmt, ob sie sinnlich oder intellectuell sei. | ||||||
15 | Dadurch stelle ich mich mir selbst weder wie ich bin, noch wie ich mir er/scheine, | ||||||
16 | vor, sondern ich denke mich nur wie ein jedes Object überhaupt, | ||||||
17 | von dessen Art der Anschauung ich abstrahire. Wenn ich mich hier als | ||||||
18 | Subject der Gedanken oder auch als Grund des Denkens vorstelle, so | ||||||
19 | bedeuten diese Vorstellungsarten nicht die Kategorien der Substanz oder | ||||||
20 | der Ursache, denn diese sind jene Functionen des Denkens (Urtheilens), | ||||||
21 | schon auf unsere sinnliche Anschauung angewandt, welche freilich erfordert | ||||||
22 | werden würde, wenn ich mich erkennen wollte. Nun will ich mich meiner | ||||||
23 | aber nur als denkend bewußt werden; wie mein eigenes Selbst in der | ||||||
24 | Anschauung gegeben sei, das setze ich bei Seite, und da könnte es mir, der | ||||||
25 | ich denke, aber nicht so fern ich denke, bloß Erscheinung sein; im Bewußtsein | ||||||
26 | meiner selbst beim bloßen Denken bin ich das Wesen selbst, von | ||||||
27 | dem mir aber freilich dadurch noch nichts zum Denken gegeben ist. | ||||||
28 | Der Satz aber: Ich denke, so fern er so viel sagt, als: Ich existire | ||||||
29 | denkend, ist nicht bloße logische Function, sondern bestimmt das Subject | ||||||
30 | (welches dann zugleich Object ist) in Ansehung der Existenz und kann ohne | ||||||
31 | den inneren Sinn nicht stattfinden, dessen Anschauung jederzeit das Object | ||||||
32 | nicht als Ding an sich selbst, sondern bloß als Erscheinung an die | ||||||
33 | Hand giebt. In ihm ist also schon nicht mehr bloße Spontaneität des | ||||||
34 | Denkens, sondern auch Receptivität der Anschauung, d. i. das Denken | ||||||
35 | meiner selbst auf die empirische Anschauung eben desselben Subjects angewandt. | ||||||
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